Rechtsanwälte für Wirtschaftsrecht, Unternehmensberatung und Sanierung

Massgeschneiderte Beratung auf höchstem Niveau ist die Grundlage der nachhaltigen Zufriedenheit unserer Mandanten.

Als mittelständische, auf das Wirtschaftsrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei mit Standorten in München, Nürnberg und Berlin betreuen wir Ihre rechtlichen Anliegen kompetent, effektiv und “auf den Punkt”, egal wo Sie uns brauchen.

Die Ausstattung unserer Kanzleistandorte mit modernster Technik erlaubt es uns, mit Ihnen jederzeit auf über große Distanz auch über Videokonferenz zu kommunizieren.

Wenn Sie also auf dem Gebiet des (internationalen) Wirtschaftsrechts, des Handels- und Gesellschaftsrechts oder auch des Sanierungs- und Insolvenzrechts einen lösungsorientierten Partner suchen, sind wir gerne an Ihrer Seite! Individuelle Beratung, Vertragsgestaltung, und Prozessvertretung gehören zu unseren Stärken, auf die Sie bauen können

Unser Ziel

Die Effektive Durchsetzung Ihrer Rechte und Interessen Stehen im Zentrum Unserer Beratung.

Gemeinsam mit Ihnen als Mandanten erörtern wir zunächst eingehend Ihre Ziele und Wünsche. Sodann identifizieren wir unter Einbeziehung unserer interdisziplinären Betrufsträger mit Ihnen zusammen den Weg, um Ihr Ziel zu erreichen. Die Erfassung komplexer Sachverhalte und die Entwicklung einer klaren und nachvollziehbaren Handlungsstruktur für Ihr Vorhaben bilden dabei die Kernkompetenzen unserer Kanzlei.

Kompetenzen

Die Spezialisten unserer Kanzlei stehen Ihnen auf ihren jeweiligen Fachgebieten gerne zur Verfügung. Zur der für Sie zu bearbeitenden Fragestellung wählen Sie das in Betracht kommende Tätigkeitsgebiet aus, für das wir in unserer Kanzlei den oder die richtigen Experten haben.

Unser Fachwissen ist immer topaktuell, intensive Aus- und Weiterbildung ist für uns Selbstverständlichkeit.

Geschichte

3 Standorte
22 Berufsträger
8 Fachanwälte
ca. 100 MITARBEITER

Die Rechtsanwaltskanzlei Pöhlmann Früchtl Oppermann ist ursprünglich aus dem Zusammenschluss dreier mittelständischer Rechtsanwaltskanzleien an den Standorten München und Nürnberg im Jahr 2005 entstanden. Um der zunehmenden Nachfrage des Marktes nach überregionalen, interdisziplinären Rechtsdienstleistungen gerecht zu werden, haben wir eine entsprechende Kanzleistruktur aufgebaut, die im Jahre 2020 durch den Beitritt der Rechtsanwaltskanzlei Houben aus Berlin sinnvoll ergänzt wurde. Hierdurch können wir unseren Mandanten ein Höchstmaß an Flexibilität, kompetente Ansprechpartner vor Ort und eine moderne Beratungsstruktur bieten.

An unseren Standorten in München, Nürnberg und Berlin sind wir mit 22 Berufsträgern, davon 8 mit der Berechtigung einen oder mehrere Fachanwaltstitel zu führen, dort für Sie tätig, wo Sie uns brauchen. Mit dieser Struktur können wir uns Ihrem Vorhaben professionell, schnell und “auf den Punkt” annehmen. Komplexe Beratungen begleiten wir mit interdisziplinären Teams, um für Sie sämtliche Facetten einer rechtlichen Gestaltung zu beleuchten. Dabei achten unsere Spezialisten auf eine klare und verständliche Sprache. Jederzeitige Erreichbarkeit und Kommunikation sind für uns wichtige Bausteine einer langfristigen Partnerschaft.

3 Standorte
22 Berufsträger
8 Fachanwälte
ca. 100 MITARBEITER

Zertifizierung

An unserem Kanzleistandort in München sind wir seit dem 20.12.2012 nach DIN ISO 9001:2015 zertifiziert. Die Re-Zertifizierung ist letztmals durch die SGS Société Générale de Surveillance SA, Zürich am 05.04.2023 erfolgreich vorgenommen worden. Das Zertifikat führen wir unter der Nummer DE13/81840258. Daneben verfügen alle Standorte innerhalb der CURATOR AG über zusätzliche Zertifizierungen für die von uns auch ausgeübte Tätigkeit der Insolvenzverwaltung und damit über eine ganzheitlich geordnete Struktur sowie eine niedergeschriebene Ablauf- und Aufbauorganisation, die regelmäßig durch unabhängige Auditoren im Rahmen interner und externer Audits überprüft wird.

Die Zertifizierung ermöglicht es uns, noch flexibler unsere Prozesse ggf. auch in bestimmten Bereichen kurzfristig und optimal für unsere Mandanten anzupassen. Personenunabhängig sind wir durch die Zertifizierung in der Lage, die hohe Qualität unserer Arbeit für unsere Mandanten transparent zu gestalten und Kontinuität zu sichern.

Soziales Engagement

Weitere informationen zum verein perspektiven E.V. und zu den von uns unterstüzten massnahmen

Bereits vor Jahren haben sich unsere Partner über ihr berufliches Engagement hinaus auch für die Rechte der schwächeren Mitglieder unserer Gesellschaft eingesetzt. In diesem Bestreben haben sich insgesamt sieben mittelständische Unternehmer im Februar 2011 zusammengefunden und den Verein Perspektiven e.V. zur Unterstützung sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher gegründet. Im Rahmen dieses Vereins werden Spendengelder sowohl durch Beiträge als auch durch Charity-Veranstaltungen generiert und dann auf direktem Wege zum Zwecke der Ausbildung oder der Förderung von Freizeitaktivitäten an Kinder und Jugendliche eingesetzt.

Besonders hervorzuheben ist dabei, dass der Verein hierbei zu 100% ehrenamtlich geführt wird und die Gelder gerade nicht einfach an Träger von Kinder- und Jugendheimen weitergeleitet, sondern gezielt und direkt zum Wohle der Kinder und Jugendlichen verwendet werden. Gerne unterstützen wir daher sowohl finanziell als auch durch unsere ehrenamtliche Tätigkeit als Vorstände und Mitglieder im Verein Perspektiven e.V. die Ziele des Vereins und sorgen dafür, dass auch diesen Kindern eine positive Zukunftsperspektive aufgezeigt werden kann.

Weitere informationen zum verein perspektiven E.V. und zu den von uns unterstüzten massnahmen:

Logo Verein Perspektiven

Hilfe für die Ukraine

Der seit Februar 2022 währende Krieg in der Ukraine und die damit einsetzende Fluchtbewegung innerhalb Europas hat uns dazu bewogen, auch dort helfend aktiv zu werden. Gemeinsam mit weiteren Freunden, die teilweise selbst aus verschiedenen Regionen der Ukraine stammen, wurde der gemeinnützige Verein Ukraine Donation e.V. gegründet. Zweck des Vereins ist es Sach- und Geldspenden einzusammeln, um diese dann im Rahmen von eigens organisierten Hilfstransporten direkt nach Dnipro zu bringen. Dort werden Krankenhäuser, Kinderheime, aber auch ukrainische Flüchtlingsfamilien mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln und - wenn benötigt - mit Kleidung versorgt. Teilweise kommen Familien mit wortwörtlich nichts als der eigenen Kleidung in Dnipro aus den unmittelbar von Kampfhandlungen betroffenen Regionen an. In diesem Zusammenhang erreichen uns dramatische Schicksale, gleichzeitig aber auch ungblaublich große Dankbarkeit der Zivilbevölkerung.

Ukraine Verein vor dem LKW

Deswegen möchten wir auch Sie dafür gewinnen, nach Ihren Möglichkeiten einen Beitrag für Menschen in größter Not zu spenden. Nähere Informationen finden Sie unter auf der Webseite UADONATION unseres Vereins.

Logo Verein Udonation

Wir stellen uns vor

Mit einem Klick erhalten Sie alle Infomation über das jeweilige PFO Mitglied

Bei uns finden Sie Berufsträger für die verschiedensten Fachgebiete, die sich in speziell für Ihren Fall zusammengestellten Teams um Sie kümmern.

Wir verstehen uns nicht nur als konstruktive aber auch kritische Prüfer, Berater und Ideengeber, sondern auch als visionäre Wegbereiter, die zu Lösungen anregen.

Klicken Sie auf ein Foto, um mehr über die jeweilige Person zu erfahren.

Niederlassungen

M N B

Wir haben Büros in München, Nürnberg und Berlin, um Sie erfolgreich und nahe an Ihrem Standort betreuen zu können.

München

Landsberger Straße 346, 80687 München
t +49-89-23806-0 f +49-89-23806-120
e muenchen@pfo-anwaelte.de

Nürnberg

Nordostpark 7-9, 90411 Nürnberg
t +49-911-59890-20 f +49-911-59890-49
e nuernberg@pfo-anwaelte.de

Berlin

Fasanenstraße 71, 10719 Berlin
t +49-30-484824-60 f +49-911-59890-95
e berlin@pfo-anwaelte.de

Curator

Um den wachsenden Anforderungen an die Betreuung von Insolvenzverfahren gerecht zu werden, agieren die Rechtsanwälte unserer Kanzlei, die auch als Insolvenzverwalter bestellt werden und tätig sind, seit dem 1.12.2012 unter der CURATOR AG - Insolvenzverwaltungen, an der wir als einer von zwei Gründungsgesellschafter beteiligt sind. Die CURATOR AG ist bundesweit tätig, und hier kooperieren allein für diesen Tätigkeitsbereich inzwischen 14 Insolvenzverwalter aus neun Kanzleien, die über ein interdisziplinäres Know How und ein umfassendes Netzwerk verfügen und die in einem engen Verbund in großen und komplexen Verfahren sich gegenseitig unterstützen.

Als Insolvenzverwalter und auch als Sachwalter im Rahmen von Eigenverwaltungen werden Dr. Stefan Oppermann, Alexander Kubusch, André Houben und Sirko Hampel regelmäßig von vielen Insolvenzgerichten bestellt und sind im Verbund der CURATOR AG tätig. Im Bereich der Insolvenzverwaltung sind alle unsere Standorte sowohl nach DIN ISO 9001:2015 als auch nach GOI (Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung) vom TÜV Austria zertifiziert und decken alle Bereiche der Insolvenzverwaltung ab. Sämtliche Verwalter sind dazu in der Lage, Verfahren jeder Größenordnung zu betreuen, Insolvenzpläne zu erarbeiten und (vorläufige) Eigenverwaltungen zu beaufsichtigen. Insolvenzrechtliche Beratungen von Gläubigern und die Begleitung von Schuldnern in Eingeverwaltungsverfahren erfolgen im Rahmen unserer anwaltlichen Tätigkeit in der PFO.

News

Wir halten Sie auf dem Laufenden mit aktuellen Informationen und hilfreichen News.

Download: Beauftragung von Rechtsanwälten und Gutachtern durch den Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft

Allgemeines

Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz, das mit Wirkung zum 01.12.2020 in Kraft getreten ist, hat den früheren Streit in Rechtsprechung und juristischer Literatur beseitigt, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) rechtsfähig ist, dahin in § 9a des Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (WEG) entschieden, dass der GdWE Rechtsfähigkeit zukommt.

§ 9a Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entsteht mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher; dies gilt auch im Fall des § 8. Sie führt die Bezeichnung „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ oder „Wohnungseigentümergemeinschaft” gefolgt von der bestimmten Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks.

Da die GdWE als solche nicht handeln kann, bedarf sie eines Vertreters. Dies ist nach § 9b WEG der Verwalter, der sie im Außenverhältnis im Grundsatz uneingeschränkt vertritt.

§ 9b Vertretung
(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wird durch den Verwalter gerichtlich und außergerichtlich vertreten, beim Abschluss eines Grundstückskauf- oder Darlehensvertrags aber nur aufgrund eines Beschlusses der Wohnungseigentümer. Hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Verwalter, wird sie durch die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten. Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht ist Dritten gegenüber unwirksam.

Im Innenverhältnis ist der Verwalter jedoch im Allgemeinen an die Beschlüsse der Versammlung der Wohnungseigentümer gebunden. Diese hat ihrerseits die Regelungen des WEG zu beachten. Soll von der GdWE ein Auftrag an einen Unternehmer ausgelöst werden, ist in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und der juristischen Literatur umstritten, ob vor der Beschlussfassung stets Alternativangebote (vertreten wird vor allem drei Angebote) einzuholen sind. Eine abschließende höchstrichterliche Entscheidung dieser Streitfrage ist bislang nicht erfolgt. Sie erfolgt auch in der Besprechungsentscheidung nicht.

Diese befasst sich nämlich mit dem Sonderfall, dass Rechtsanwälte und/ oder Gutachter für die GdWE bestellt werden sollen, zudem wird problematisiert, wie in einem Fall zu verfahren ist, in dem der Verwalter bereits einen solchen Auftrag erteilt hatte.

Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt seinem Urteil folgende Leitsätze voraus:

„1. Bei der Beschlussfassung über die Beauftragung eines Rechtsanwalts müssen keine Alternativangebote anderer Rechtsanwälte vorliegen; dies gilt auch dann, wenn der Abschluss einer Honorarvereinbarung beabsichtigt ist. Entsprechendes gilt bei der Beauftragung von Gutachtern.

2. Es steht im Ermessen der Wohnungseigentümer, im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung eine von dem Verwalter ohne Beschluss veranlasste Maßnahme nachträglich zu genehmigen. Eine derartige Genehmigung ist jedenfalls dann rechtmäßig, wenn die Maßnahme selbst ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.“

Der zu entscheidende Fall

Die Klägerin errichtete eine Wohnungseigentumsanlage als Bauträgerin. Sie ist auch Mitglied der beklagten GdWE dieser Anlage. - Im Jahr 2020 fand keine Eigentümerversammlung statt.

Ansprüche dieser GdWE wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums gegen die Klägerin drohten im Oktober 2021 zu verjähren. Die Verwalterin beauftragte vor diesem Hintergrund im Frühjahr 2021 drei Sachverständige im Namen der GdWE mit der Begutachtung der Mängel des Gemeinschaftseigentums. Die Sachverständigen stellten Baumängel mit einem Beseitigungsaufwand in Höhe von 469.271,38 € fest und berechneten für ihre Gutachten insgesamt 49.927,74 €. Zudem beauftragte die Verwalterin im Namen der GdWE eine Rechtsanwaltskanzlei. Ein Beschluss der Wohnungseigentümer war den Auftragserteilungen jeweils nicht vorausgegangen.

Eine Eigentümerversammlung fasste im Juli 2021 mehrere Beschlüsse:

TOP 6
Die durch die Verwalterin erfolgte Einschaltung und Vergütung der Gutachter sowie die bisherigen Kosten der Rechtsanwaltskanzlei werden genehmigt.

TOP 7d
Die Rechtsanwaltskanzlei wird beauftragt, gegenüber der Klägerin außergerichtlich und notfalls gerichtlich einen Anspruch auf Kostenvorschuss zur Beseitigung der sich aus den Gutachten ergebenden Mängel geltend zu machen.

TOP 8
Die Verwaltung wird ermächtigt, mit der Anwaltskanzlei eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen, deren Stundensätze 300 € netto je Anwaltsstunde und 150 € netto je Sekretariatsstunde nicht überschreiten dürfen.

Gegen diese Beschlüsse erhob die Klägerin eine Anfechtungsklage, die das Amtsgericht (AG) München abgewiesen hat. Auf ihre Berufung hat das Landgericht (LG) München I die genannten Beschlüsse für ungültig erklärt. Mit der vom BGH zugelassenen Revision möchte die beklagte GdWE die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen. Der BGH gibt ihr Recht und stellt das Urteil des AG wieder her.

Die Begründung des BGH

Die angefochtenen Beschlüsse unterliegen nach Ansicht des BGH nicht der Anfechtung, sie entsprechen der ordnungsgemäßen Verwaltung.

Zu TOP 7d und TOP 8

Eine getrennte Beschlussfassung über die Beauftragung und die Vergütungsvereinbarung des Rechtsanwalts sei jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn die Wohnungseigentümer beide Beschlüsse – wie hier – in derselben Versammlung erörterten und fassten.

Allgemein sei umstritten, ob vor der Beauftragung externer Dritter Vergleichsangebote eingeholt werden müssten. Dies sei auch hinsichtlich der Beauftragung von Rechtsanwälten so.

Der BGH hält Vergleichsangebote in letztgenanntem Fall nicht für erforderlich, was auch gelte, wenn der Abschluss einer Honorarvereinbarung beabsichtigt sei. Zur Begründung erläutert der BGH:

Zweck der Einholung von Alternativangeboten sei es, den Wohnungseigentümern die Stärken und Schwächen der Leistungsangebote aufzuzeigen. Könnten Alternativangebote dieses Ziel nicht erreichen, könne es nicht ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen, auf ihre Einholung zu verzichten.

Bei der Beauftragung eines Rechtsanwaltes wären Alternativangebote nicht dazu geeignet, den Wohnungseigentümern einen grundlegenden Erkenntnisgewinn in Bezug auf die Stärken und Schwächen der Angebote zu vermitteln.

Insbesondere ermöglichten derartige Alternativangebote keinen aussagekräftigen Preisvergleich. Bei Abrechnung nach den gesetzlichen Honorartabellen werde es keinen Preisunterschied geben. Zudem stehe selbst dann kein Endpreis fest, weil die Prozessentwicklung, die von vielen Umständen abhänge, Einfluss auch auf die gesetzlichen Kosten nehme.

Ähnlich verhalte es sich aber auch, wenn – wie vorliegend –nach Stundensätzen abgerechnet werden solle. Denn entscheidend sei nicht nur der Stundensatz, sondern vor allem die Anzahl der geleisteten Stunden, die letztlich in Rechnung gestellt würden. Das endgültige Rechtsanwaltshonorar lasse sich deshalb vorab konkret nicht in einer Weise verlässlich beziffern, die einen tragfähigen Vergleich zuließe. Überhöhte Gebührenforderungen könnten zudem gerichtlich überprüft und gegebenenfalls gesenkt werden.

Letztlich könne nicht einmal von vorneherein sicher beurteilt werden, ob eine Abrechnung nach Stundensätzen oder nach der gesetzlichen Vergütung günstiger wäre.

Zudem sei das Honorar nicht der einzige und auch nicht der wichtigste Gesichtspunkt für die Auswahl des Rechtsanwalts. Entscheidend sei insbesondere, ob der in Aussicht genommene Rechtsanwalt seiner Aufgabe gerecht werde, was sich den potentiellen Angeboten ebenso wenig entnehmen lasse wie die Qualifikation des Anwalts. Schließlich sei oft ein bestehendes Vertrauensverhältnis maßgeblich.

Im vorliegenden Fall sprächen auch keine sonstigen Gründe gegen die konkrete Beauftragung. Die Qualifikation der beauftragten Kanzlei ziehe nicht einmal die Klägerin in Zweifel. Die beschlossene Ermächtigung der Verwalterin zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung, deren Stundensätze 300 € netto je Anwaltsstunde und 150 € netto je Sekretariatsstunde nicht überschreiten dürften, erweise sich nicht als unwirtschaftlich. Im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums müssten die Wohnungseigentümer zwar das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und im Grundsatz auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen. Sie seien aber berechtigt, Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen. Die Wohnungseigentümer müssten sich nicht auf eine „günstigere“ Vergütungsvereinbarung beschränken, wenn sie sich von der beauftragten Rechtsanwaltskanzlei ein entsprechendes hohes Engagement sowie eine besonders kompetente Leistung versprächen. Selbst dass im Obsiegensfall im Prozess eventuell nicht alle Kosten erstattet würden, spräche nicht von vornherein gegen eine Vereinbarung auf Stundenhonorarbasis.

Angesichts der Sondermaterie (WEG-Recht verknüpft mit Baurecht), der Vorbefassung der Kanzlei mit dem Sachverhalt, der drohenden Verjährung, der erheblichen Gegenwehr der Klägerin und der Höhe des Streitwerts seien auch die Stundensätze als solche nicht zu beanstanden.

Zu TOP 6

Auch die beschlossene Genehmigung der Beauftragung und Vergütung der Gutachter und der Rechtsanwaltskanzlei könne nicht für ungültig erklärt werden.

Zwar sei nach dem neuen Recht ein Beschluss über die nachträgliche Genehmigung nicht (mehr) erforderlich, weil der Verwalter im Außenverhältnis ohnehin wirksam agiere (§ 9b WEG), sie widerspreche damit aber nicht der ordnungsgemäßen Verwaltung.

Anderes folge auch nicht daraus, dass die Genehmigung einem Entlastungsbeschluss zu Gunsten des Verwalters gleichkäme. Eine Entlastung des Verwalters widerspräche dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kämen und kein Grund dafür ersichtlich sei, auf diese Ansprüche zu verzichten. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter komme nicht bereits dann erkennbar in Betracht, wenn er ohne nähere Prüfung nicht ausgeschlossen sei. Vielmehr müssten konkrete Tatsachen festgestellt sein, die sein Bestehen nahelegten, wie zum Beispiel eine Vorlage fehlerhafter Abrechnungen.

Allgemein sei die nachträgliche Genehmigung einer vom Verwalter ohne Beschluss veranlassten Maßnahme im Ausgangspunkt nicht schon grundsätzlich zu beanstanden. Es sei bereits zweifelhaft, ob die nachträgliche Genehmigung überhaupt einen Verzicht auf (erkennbare) Ansprüche gegen den Verwalter darstelle oder mit ihr nicht vielmehr lediglich die von dem Verwalter vorgenommene Maßnahme genehmigt werden solle. Jedenfalls wirke sich die nachträgliche Genehmigung nicht nur gegenüber dem Verwalter, sondern auch im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer aus. Denn durch eine Genehmigung werde die interne Willensbildung der Wohnungseigentümer nachgeholt und damit die rechtliche Grundlage für die Maßnahme und auch ihre Finanzierung geschaffen.

Die nachträgliche Genehmigung einer ohne Beschlussfassung vom Verwalter veranlassten Maßnahme sei jedenfalls dann rechtmäßig, wenn die Maßnahme selbst ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche. Hätten die Wohnungseigentümer die Maßnahmen vor ihrer Durchführung beschließen dürfen, könne die nachträgliche Genehmigung nicht ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen. Eine Haftung des Verwalters scheide dann schon in Ermangelung eines verursachten Schadens von vorneherein aus.

Vorliegend gelte danach, dass angesichts der drohenden Verjährung die Auftragserteilung angezeigt und sinnvoll gewesen sei. Einer Einholung von Alternativangeboten hätte es nicht bedurft. Entsprechendes gelte bei der Beauftragung der Gutachter.

Der Einwand der Klägerin, die vorhandenen Mängel hätten die Einholung von Gutachten für eine Rechnungssumme von knapp 50.000 € nicht gerechtfertigt, verfange nicht. Gutachterkosten in Höhe von ca. 10% der voraussichtlichen Schadenssumme seien nicht ersichtlich unangemessen.

Download: Bekanntgabe des Gewinnfeststellungsbescheids bei nicht mehr existenter Personengesellschaft

Allgemeines

Der Einkommensteuer unterliegen gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch Einkünfte aus Gewinnanteilen der Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist. Mit anderen Worten ist Steuerschuldner in diesen Fällen nicht die Gesellschaft selbst, sondern die Gesellschafter. – Für andere Steuern gilt dies nicht, so ist die Gesellschaft selbst zum Beispiel Schuldner der Umsatzsteuer.

Anders als die meisten anderen Besteuerungsgrundlagen, die gemäß § 157 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) lediglich einen unselbständigen und mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids bilden, sind Besteuerungsgrundlagen gesondert gemäß § 179 Abs. 1 AO festzustellen, wenn dies gesetzlich angeordnet ist. Das Nähere bestimmt § 179 Abs. 2 AO. Gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind insbesondere die einkommen- und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte gesondert festzustellen, wenn hieran mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Dies gilt zum Beispiel für die Gewinnanteile der Gesellschafter einer Personengesellschaft.

Soweit hier von Interesse lauten die §§ 179, 180 AO:

§ 179 Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
(1) Abweichend von § 157 Absatz 2 werden die Besteuerungsgrundlagen durch Feststellungsbescheid gesondert festgestellt, soweit dies in diesem Gesetz oder sonst in den Steuergesetzen bestimmt ist.
(2) Ein Feststellungsbescheid richtet sich gegen den Steuerpflichtigen, dem der Gegenstand der Feststellung bei der Besteuerung zuzurechnen ist. Die gesonderte Feststellung wird gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich vorgenommen, wenn dies gesetzlich bestimmt ist oder der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen ist. …

§ 180 Gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
(1) Gesondert festgestellt werden insbesondere:

1. …
2. a) die einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind, …

Im Ausgangspunkt sind die Bescheide, die die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung beinhalten, allen Beteiligten bekannt zu geben (zuzustellen), bei der Personengesellschaft also dieser und allen Gesellschaftern. Die Besprechungsentscheidung befasst sich mit der Frage, wie die Bekanntgabe zu erfolgen hat, wenn die Personengesellschaft im Zeitpunkt der Bekanntgabe bereits vollbeendet ist.

Ein Verwaltungsakt muss gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt (zum Beispiel ein Steuerbescheid) nichtig (und damit gemäß § 124 Abs. 3 AO unwirksam), soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Ein Verwaltungsakt leidet an schweren und offenkundigen Mängeln und ist deshalb nichtig, wenn er inhaltlich nicht so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird. Konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsakts ist daher neben der Angabe der erlassenden Behörde die Angabe des Inhaltsadressaten, also desjenigen, dem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll.

Der BFH stellt seinem Urteil folgende Leitsätze voran.

„1. Ein Gewinnfeststellungsbescheid richtet sich – ungeachtet dessen, ob im Zeitpunkt seines Erlasses die Personengesellschaft noch besteht oder bereits vollbeendet ist – seinem Inhalt nach stets gegen die Gesellschafter (Mitunternehmer). Für die Wirksamkeit eines solchen Bescheids kommt es (nur) darauf an, dass sich aus seinem gesamten Inhalt ergibt, für welche Personen der Gewinn festgestellt wird und wie hoch der Gewinnanteil der einzelnen Gesellschafter ist (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. Der Umstand, dass eine nicht mehr existente Personengesellschaft in das Adressfeld des Bescheids aufgenommen wird, steht einer wirksamen Benennung der Inhaltsadressaten nicht entgegen, wenn sich aus dem Bescheid die weiteren Angaben über die Gesellschafter entnehmen lassen (Bestätigung der Rechtsprechung).“

Der zu entscheidende Fall

Die Beteiligten streiten über die Nichtigkeit eines einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheids für das Jahr 2013 betreffend die B GmbH & Co. KG (B KG), die im Zeitpunkt der Bekanntgabe bereits vollbeendet war. Etwas vereinfacht geht es um folgenden Sachverhalt.

Komplementärin der B KG war die B GmbH. Einziger Kommanditist war der Kläger. Die B KG erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Kläger war im Oktober 1999 als Empfangsbevollmächtigter der B KG im Feststellungsverfahren benannt worden. Er war zugleich alleiniger einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der B GmbH.

Durch notariellen Einbringungs- und Abtretungsvertrag aus Dezember 2016 übertrug der Kläger seine Kommanditbeteiligung an der B KG sowie seinen Geschäftsanteil an der B GmbH gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auf die O GmbH & Co. KG (O KG). Infolge des anschließenden Ausscheidens der B GmbH übernahm die O KG als einzige verbliebene Gesellschafterin das Vermögen der B KG im Wege der Anwachsung mit allen Aktiven und Passiven ohne Liquidation zum 31.12.2016. Die B KG wurde Anfang Januar 2017 im Handelsregister gelöscht.

Nach einer steuerlichen Außenprüfung wurde am 26.01.2018 ein geänderter Gewinnfeststellungsbescheid für 2013 betreffend die B KG erlassen, der an den Kläger bekanntgegeben wurde. Die Einkünfte wurden auf die B GmbH und den Kläger verteilt. Unterhalb des Adressfeldes wurde die B KG genannt. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass er an den Kläger als Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten ergehe.

Am 29.04.2020 wurde im Namen der „B KG, bez. O KG“ ein Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Gewinnfeststellungsbescheids für 2013 vom 26.01.2018 gestellt. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der Bescheid nichtig sei, weil er gegenüber einer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe nicht mehr existenten Firma erlassen worden sei. Das FA lehnte den Antrag mit der Begründung ab, § 125 Abs.1, 5 AO sei nicht anwendbar, da der Feststellungsbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt gewesen sei.

Dagegen legte der Kläger Einspruch ein, der vom Finanzamt als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Auf die Klage des Klägers, stellte das Finanzgericht (FG) München fest, dass der (ändernde) Gewinnfeststellungsbescheid für 2013 betreffend die B KG nichtig sei, weil er als Inhaltsadressatin die B KG ausweise. Bei Aufnahme der Gesellschaft statt der Gesellschafter in das Adressfeld sei die Angabe der Gesellschaft als Sammel- oder Kurzbezeichnung für die Gesellschafter zu verstehen, wenn sich der Kreis der Gesellschafter – wie im Streitfall – aus dem weiteren Inhalt des Bescheids erschließen lasse. Jedoch richte sich der Bescheid gegen ein nicht mehr existentes Steuersubjekt, da die B KG im Wege der Verschmelzung in Folge des Vertrags aus Dezember 2016 mit der Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister erloschen sei. Es liege damit ein – nicht heilbarer – Adressierungsmangel vor.

Die Empfangsvollmacht des Klägers sei mit Schreiben vom 17.10.2017 konkludent widerrufen worden.

Auf die Revision des Finanzamts wies der Bundesfinanzhof (BFH) die Klage ab.

Die Begründung des BFH

Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein Gewinnfeststellungsbescheid, der sich an eine vollbeendete Personengesellschaft richte, stets nichtig sei.

Ein Gewinnfeststellungsbescheid richte sich seinem Inhalt nach stets gegen die Gesellschafter (Mitunternehmer), auch wenn im Zeitpunkt seines Erlasses die Personengesellschaft bereits erloschen sei. Er sei wirksam, wenn sich aus seinem gesamten Inhalt ergebe, für welche Personen der Gewinn festgestellt werde und wie hoch der Gewinnanteil der einzelnen Gesellschafter sei. Die Angabe einer nicht mehr existenten Personengesellschaft im Adressfeld stehe einer wirksamen Benennung der Inhaltsadressaten nicht entgegen, wenn sich aus dem Bescheid die weiteren Angaben über die Gesellschafter entnehmen ließen. Die Angabe der Gesellschaft sei lediglich als Sammelbezeichnung für die Gesellschafter zu sehen und bedeute nicht etwa die Bezeichnung eines falschen Steuerschuldners [da die Gesellschaft selbst gar nicht Steuerschuldner ist].

Das erstinstanzliche Urteil sei daher rechtsfehlerhaft, seine Argumentation sei mit der dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Gewinnfeststellungsbescheiden nicht in Einklang zu bringen.

Da die Sache spruchreif sei, könne der BFH in der Sache selbst entscheiden und die Klage abweisen.

Der Gewinnfeststellungsbescheid für 2013 sei dem Kläger wirksam bekanntgegeben worden.

Der Kläger sei aufgrund seiner Bestellung im Jahr 1999 gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 AO. Ihm hätten daher Feststellungsbescheide – trotz Vollbeendigung der Personengesellschaft – auch mit Wirkung für andere Beteiligte bekanntgegeben werden können, soweit und solange diese Beteiligten oder der Empfangsbevollmächtigte nicht widersprochen hätten. Trotz Vollbeendigung der Gesellschaft bedürfe es keiner Einzelbekanntgabe des Feststellungsbescheids an die früheren Gesellschafter, wenn diese einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellt hätten und die Bescheide diesem bekanntgegeben würden.

Ob das FG zu Recht von einem Widerruf der auch bei Auflösung der Gesellschaft zunächst fortwirkenden Empfangsvollmacht ausgegangen sei, könne dahinstehen. Denn eine Bekanntgabe an den Kläger als Empfangsbevollmächtigten trotz Widerrufs der Vollmacht wäre jedenfalls dadurch geheilt worden, dass der Feststellungsbescheid an den Kläger als ehemaligen Kommanditisten der B KG und damit „wirklichen Empfänger“ gelangt sei, da ihm dieser jedenfalls zugegangen sei.

Der Gewinnfeststellungsbescheid für 2013 vom 26.01.2018 sei auch nicht nichtig, da sich aus der Aufteilung der Besteuerungsgrundlagen im Gewinnfeststellungsbescheid die Feststellungsbeteiligten – die Komplementär-GmbH und der Kläger als Kommanditist – sowie deren Gewinnanteile ergäben.

Download: Datenschutzgrundverordnung und Ersatz immateriellen Schadens

Allgemeines

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist eine EU-Verordnung zum Schutz personenbezogener Daten. Sie vereinheitlicht den Datenschutz in der gesamten Europäischen Union und gilt direkt, ohne Transformation, in den Mitgliedstaaten. Anwendung findet die DSVGO für alle Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen in der EU anbieten und dabei personenbezogene Daten von EU-Bürgern erheben.

Die DSVGO führt einerseits in der Praxis zu vielfältigen Problemen, die aus dem Alltag jedem hinreichend bekannt sind, schafft andererseits aber auch in weiten Bereichen Datensicherheit. Gegen Verstöße ist der davon Betroffene zwar nicht umfassend geschützt, hat aber die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen der Verordnung Schadensersatz vom verstoßenden Unternehmer zu erlangen. Das Nähere regelt insoweit Art. 82 DSVGO. Sein Absatz 1 zeigt die Grundvoraussetzungen für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch auf:

„Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.“

Weitere Einzelheiten regeln die Abs. 2 bis 6 der Norm. Zu Abs. 1 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits mehrere konkretisierende Urteile erlassen, auf die der Bundesgerichtshof (BGH) sich in der Besprechungsentscheidung stützt, bei der es ausschließlich um den Ersatz des sogenannten immateriellen Schadens geht.

1. Der Begriff des „immateriellen Schadens“ ist in Ermangelung eines Verweises in Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten im Sinne dieser Bestimmung autonom unionsrechtlich zu definieren. Das heißt, dass dieser Begriff nicht so zu interpretieren ist, wie er etwa im bundesdeutschen Recht aufgefasst wird, sondern anhand der DSVGO selbst zu entwickeln ist. Dabei soll nach der Rechtsprechung des EuGH der Begriff des Schadens weit ausgelegt werden, in einer Art und Weise, die den Zielen der DSVGO in vollem Umfang entspricht.

2. Der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen der DSVG reicht jedoch nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen, vielmehr ist darüber hinaus – im Sinne einer eigenständigen Anspruchsvoraussetzung – der Eintritt eines Schadens durch diesen Verstoß erforderlich.

3. Einer nationalen Regelung oder Praxis, die den Ersatz eines immateriellen Schadens im Sinne des Art. 82 DSVGO davon abhängig macht, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Schwere oder Erheblichkeit erreicht hat, steht die DSVGO entgegen.

4. Allerdings hat die betroffene Person nachzuweisen, dass sie tatsächlich einen Schaden erlitten hat. Die Ablehnung dieser sogenannten Erheblichkeitsschwelle bedeutet dagegen nicht, dass der Betroffene vom Nachweis befreit wäre, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSVGO darstellen.

5. Der Unionsgesetzgeber versteht unter dem Begriff „Schaden“ insbesondere auch den bloßen „Verlust der Kontrolle“ über die eigenen Daten infolge eines Verstoßes gegen die DSVGO, selbst wenn konkret keine missbräuchliche Verwendung der betreffenden Daten zum Nachteil dieser Personen erfolgt sein sollte.

Der zu entscheidende Fall

Der Kläger nimmt die Beklagte (Betreiberin eines Inkassounternehmens, das unter anderem Mandanten aus dem Energiesektor betreut) soweit die Sache zum BGH gelangt ist, auf Ersatz immateriellen Schadens aufgrund einer Negativmeldung der Beklagten an die Schufa Holding AG (im Folgenden SCHUFA) in Anspruch.

Die Beklagte meldete unter dem 16.07.2019 eine gegen den Kläger durch Vollstreckungsbescheid vom gleichen Tag titulierte Forderung des Stromlieferanten des Klägers bei der SCHUFA. Diese löschte den aufgrund der Meldung vorgenommenen Negativeintrag am 12.11.2019.

Der Kläger macht geltend, die Meldung der durch den Vollstreckungsbescheid titulierten Forderung an die SCHUFA sei rechtswidrig gewesen, weil die Beklagte davor nicht zumindest den Ablauf der Einspruchsfrist abgewartet habe. Der infolge der Meldung der Beklagten von der SCHUFA erstellte Negativeintrag habe für ihn zu massiven wirtschaftlichen Konsequenzen und Nachteilen geführt, die zum Teil bis in die Gegenwart andauerten. Konkret hatte er vorgetragen, für seine berufliche Tätigkeit sei er auf Kreditkarten angewiesen, ohne die er insoweit praktisch handlungsunfähig sei. Aufgrund des negativen SCHUFA-Eintrages seien ihm jedoch die Kreditkarten gesperrt worden. Die von der D. Bank ausgesprochene Kreditkartenkündigung sei trotz Löschung des Negativeintrages aufrechterhalten worden. Im Rahmen eines bei der D. Bank erstellten eigenen Scorewertes zur Kreditwürdigkeit werde er aufgrund des negativen SCHUFA-Eintrages weiterhin als nicht ausreichend kreditwürdig beauskunftet. Der von ihm zunächst mit einem anderen Anbieter geschlossene Vertrag über eine neue Kreditkarte sei aufgrund einer Negativauskunft der D. Bank wieder gekündigt worden. Die ihm von der D. Bank angedrohte Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung hätte zur Fälligstellung von Verbindlichkeiten in Höhe von 67.000 € und zur Lohnpfändung geführt. Zwischen Eintragung und Löschung der Eintragung habe zudem das Scheitern einer Immobilienfinanzierung gedroht.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen angemessenen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt werde, mindestens jedoch 10.000 € zuzüglich Zinsen betragen solle.

Das Landgericht (LG) Mainz hat die Beklagte nur zur Zahlung von 5.000 € nebst Zinsen verurteilt. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt, der Kläger mit dem Ziel einer Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von mindestens weiteren 5.000 €, die Beklagte mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung. Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Klage auf die Berufung der Beklagten hin vollständig abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger den von ihm geltend gemachten Schadensersatzanspruch weiter.

Die Begründung des BGH

Der Kläger habe den Eintritt eines immateriellen Schadens im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Form einer Beeinträchtigung seiner Kreditwürdigkeit und damit seines (wirtschaftlichen) guten Rufes ausreichend dargelegt und nicht lediglich auf die abstrakte Geeignetheit der weitergegebenen Daten zur Herabsetzung seiner Kreditwürdigkeit und Erschwerung seiner Teilhabe am Wirtschaftsleben verwiesen. Vielmehr habe er mit dem Hinweis auf die Kündigung der Kreditkartenverträge und die Androhung der Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung durch die D. Bank konkrete negative Auswirkungen benannt, die seiner Behauptung nach auf die streitgegenständliche Meldung zurückzuführen seien.

Soweit das Berufungsgericht dies für irrelevant gehalten habe, weil der Kläger möglicherweise über weitere Kreditkarten verfügt habe, handele es sich um bloße Spekulation unter Verstoß gegen den Beibringungsgrundsatz. Die vom Kläger geschilderten Bemühungen um einen Ersatz für die von der D. Bank gekündigten Kreditkartenverträge sprächen vielmehr eher gegen eine solche Annahme.

Im Übrigen ergebe sich der Ansehensverlust des Klägers durch die Beeinträchtigung seiner Kreditwürdigkeit aufgrund der SCHUFA-Meldung bereits aus der Kündigung der Kreditkartenverträge und der Androhung der Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung durch die D. Bank. Damit sei schon der Eintritt eines immateriellen Schadens im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO dargetan.

Aus demselben Grund könne der Eintritt eines immateriellen Schadens auch nicht mit der Begründung verneint werden, der Kläger habe nicht substantiiert vorgetragen, ob und in welchem Maße es im Rahmen der allgemeinen Lebensführung zu kompromittierenden und/oder sonstigen persönlichkeitsverletzenden Begebenheiten gekommen sei.

Zudem folge ein immaterieller Schaden des Klägers in Form des sogenannten Kontrollverlustes über seine Daten daraus, dass die Beklagte unter Verstoß gegen die DSVGO seine persönlichen Daten unzulässig an einen Dritten (die SCHUFA) übermittelt habe.

Der Kläger habe sich den immateriellen Schaden auch nicht mit der Begründung zuzuschreiben zu lassen, er habe die Forderung erst nach Ergehen des Vollstreckungsbescheids beglichen, wodurch es überhaupt zu einer „einmeldefähigen“ Sollstellung gekommen sei, da für die Frage, ob dem Kläger ein immaterieller Schaden entstanden sei, seine etwaige Mitwirkung an dessen Entstehung keine Rolle spiele.

Da die Beklagte (offensichtlich) das Vorbringen des Klägers bestritten hatte, wird das OLG im neuerlichen Rechtszug die hierzu vom Kläger (vermutlich) angebotenen Beweise zu erheben haben.

Download: Feststellung der Zahlungsunfähigkeit

Allgemeines

Die in § 17 der Insolvenzordnung (InsO) geregelte Zahlungsunfähigkeit wird in vielen Zusammenhängen relevant. So ist sie neben der insolvenzrechtlichen Überschuldung nach § 19 InsO Insolvenzeröffnungsgrund, gehört aber auch etwa zu den Voraussetzungen einiger Anfechtungstatbestände. Bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit müssen die Geschäftsleiter von Gesellschaften grundsätzlich einen Insolvenzantrag stellen, um ihre eigene Haftung zu vermeiden.

§ 17 InsO lautet:
(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit. (2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

Für die Darlegung der Zahlungsunfähigkeit bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO einer geordneten Gegenüberstellung (Liquiditätsstatus) der zum Stichtag zu berücksichtigenden fälligen Verbindlichkeiten und derjenigen, die in den folgenden drei Wochen fällig werden sowie der aktuellen liquiden Mittel des Schuldners und den in den folgenden drei Wochen hinzukommenden Mittel, etwa in Form einer Liquiditätsbilanz. Von einer Zahlungsunfähigkeit ist danach regelmäßig auszugehen, wenn die Liquiditätslücke des Schuldners 10% oder mehr beträgt, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.

Einen solchen Liquiditätsstatus können im Allgemeinen nur der Schuldner selbst, sein steuerlicher Berater oder sein Insolvenzverwalter aufstellen. Gläubigern fehlen regelmäßig die dazu notwendigen Kenntnisse. Allerdings ist auch der Insolvenzverwalter häufig mangels aussagekräftiger Buchhaltung und wegen nicht auffindbarer Belege nicht in der Lage, einen Liquiditätsstatus zu erstellen.

Das Gesetz hält hier in § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die Möglichkeit bereit, die Zahlungsunfähigkeit über die Zahlungseinstellung zu ermitteln, indem es (widerleglich) vermutet, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist, wenn er die Zahlungen eingestellt hat. Zahlungseinstellung ist wiederum nach der Rechtsprechung des BGH dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen.

Die Besprechungsentscheidung befasst sich mit der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO, also durch Aufstellen eines Liquiditätsstatus, konkreter gesagt behandelt sie die Frage, unter welchen Voraussetzungen ausstehende Forderungen des Schuldners als liquide Mittel in den Status aufgenommen werden dürfen. Der BGH stell seinem Urteil folgenden Leitsatz voran:

„Zahlungsunfähig ist ein Schuldner, der aus Mangel an liquiden Mitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Hierbei sind nur diejenigen liquiden Mittel einzubeziehen, über die der Schuldner tatsächlich verfügt oder die er sich kurzfristig, also innerhalb von drei Wochen, beschaffen kann. Forderungen gegen Dritte können nur insoweit eingesetzt werden, als sie tat-sächlich bestehen und der Schuldner die Forderungen spätestens binnen drei Wochen realisieren kann.“

Neben der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kann es aber auch auf die Zahlungsunfähigkeit eines Dritten ankommen. Begleicht nämlich der Insolvenzschuldner (in der Regel auf Anweisung des Dritten) eine gegen diesen Dritten gerichtete Forderung, kann dies zur Anfechtung wegen einer unentgeltlichen Leistung nach § 134 InsO gegenüber dem Leistungsempfänger führen, wenn der Vorgang in den letzten vier Jahren vor dem Insolvenzantrag lag. In einem solchen sogenannten Drei-Personen-Verhältnis ist nach der nicht ganz einfach zu verstehenden Rechtsprechung des BGH die Leistung des Schuldners unentgeltlich, wenn die Forderung des Gläubigers/Leistungsempfängers gegen den Dritten wertlos war, was der BGH in ständiger Rechtsprechung wie folgt begründet.

Es komme in einem Drei-Personen-Verhältnis nicht entscheidend darauf an, ob der Schuldner selbst einen Ausgleich für seine Verfügung – zum Beispiel eine Zahlung - erhalten habe. Maßgeblich sei vielmehr, ob der Gläubiger als Leistungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hatte. Die Gegenleistung des Empfängers, dessen gegen den Dritten gerichtete Forderung bezahlt werde, liege in der Regel darin, dass er mit der Leistung des Schuldners eine werthaltige Forderung gegen seinen Schuldner, den Dritten, verliere. Sei diese Forderung jedoch wirtschaftlich wertlos gewesen, habe der Gläubiger nichts verloren, was als Gegenleistung für die Zuwendung des Schuldners angesehen werden könne. Die Leistung des Schuldners auf die fremde Schuld sei dann als unentgeltliche Verfügung gegenüber dem Leistungsempfänger anfechtbar. Für die fehlende Werthaltigkeit der Forderung gegen den Dritten sei der Insolvenzverwalter darlegungs- und beweispflichtig.

Der zu entscheidende Fall

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem auf Antrag vom 17.03.2022 am 06.05.2022 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin). Der alleinige Kommanditist und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, T. W., bezog im streitgegenständlichen Zeitraum Sozialleistungen. Die Schuldnerin beglich im Jahr 2021 mit drei Zahlungen die Steuerschulden des T. W. beim beklagten Bundesland (im Folgenden: Beklagter) in Höhe von insgesamt rund 28.000 €.

Der Kläger hat diese Zahlungen angefochten und sich dazu auf die Anfechtbarkeit unentgeltlicher Leistungen in den letzten vier Jahren vor dem Insolvenzantrag gemäß § 134 InsO gestützt. Er argumentierte im Rechtsstreit, die Zahlungen seien unentgeltlich, da T. W. zum Zeitpunkt der Zahlungen zahlungsunfähig gewesen sei und die Steuerforderungen des Beklagten gegen ihn somit wertlos waren.

Der Kläger hatte bereits mit der Klageschrift vorgetragen, zum Zeitpunkt der Zahlungen an den Beklagten sei T. W. nicht mehr in der Lage gewesen, die Steuerverbindlichkeiten selbst zu erfüllen oder die von der Schuldnerin verauslagten Zahlungen an diese zu erstatten. Aufgrund der fehlenden Gewinne der Schuldnerin in Folge der Covid-19-Pandemie sei es T. W. seit dem Frühjahr 2020 nicht mehr möglich gewesen, seinen Lebensunterhalt aus den Gewinnen der Schuldnerin zu finanzieren. Er habe Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen müssen, daneben keine weiteren Einkünfte erzielt und auch über keine Vermögensrücklagen verfügt. Diese Behauptung hatte der Kläger unter Beweis durch Vernehmung des Zeugen T. W. gestellt. Zum Beleg, dass die Schuldnerin ab dem Jahr 2020 keinen Gewinn mehr erzielt habe, hatte er sich zudem auf die Vorlage von im Rahmen der Anträge auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für T. W. erstellte Aufstellungen über die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben der Schuldnerin gestützt.

Der Beklagte hatte diesen Vortrag bestritten und behauptet, T. W. habe gegen die Schuldnerin einen Anspruch auf unterjährige Entnahmen zur Bedienung von Steuervoraus- und -nachzahlungen gehabt. Dies hatte auch der Beklagte unter Beweis durch Vernehmung des T. W. als Zeugen gestellt.

Weder das Landgericht (LG) Köln noch das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat T. W. als Zeugen vernommen.

Das LG hat der Klage entsprochen, das OLG hat sie abgewiesen, weil es meinte, die Zahlungsunfähigkeit von T. W. könne nicht festgestellt werden, denn ein Gewinnanspruch für das Geschäftsjahr 2020 gegen die Schuldnerin könne nicht ausgeschlossen werden. Auf die Revision des Klägers hebt der BGH die Sache auf und verweist das Verfahren an das OLG zurück.

Die Begründung des BGH

Der BGH sieht die allgemeinen Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung, insbesondere das Vorliegen einer objektiven Gläubigerbenachteiligung, durch die drei Zahlungen der Schuldnerin an den Beklagten als gegeben an.

In dem hier vorliegenden Drei-Personen-Verhältnis kam es für die Anfechtbarkeit wegen unentgeltlicher Leistung nach § 134 InsO, wie eingangs näher dargelegt, darauf an, ob die Steuerforderung des beklagten Lands gegen T. W. wertlos war.

Hierzu führt der BGH aus, von der Wertlosigkeit der Forderung des Zuwendungsempfängers sei regelmäßig nicht erst dann auszugehen, wenn über das Vermögen des Forderungsschuldners wegen Zahlungsunfähigkeit bereits das Insolvenzverfahren eröffnet war, sondern schon dann, wenn er materiell zahlungsunfähig gewesen sei. In einem solchen Fall könne sich der Leistungsempfänger als Anfechtungsgegner nur dann darauf berufen, noch Vollstreckungsmöglichkeiten gegen seinen Schuldner gehabt zu haben, wenn er trotz dessen Zahlungsunfähigkeit insolvenzbeständig auf noch vorhandene Vermögensgegenstände hätte zugreifen können. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trage der Anfechtungsgegner. [Eine solche insolvenzfeste Zugriffsmöglichkeit ist in der Praxis allerdings eine seltene Ausnahme.]

Die bislang vom OLG getroffenen Feststellungen rechtfertigten nicht dessen Schluss, der Beklagte habe die Zahlungen der Schuldnerin auf die Steuerverbindlichkeiten des T. W. nicht als unentgeltliche Leistungen erlangt, weil die Steuerforderungen nicht wertlos gewesen seien. Vielmehr ergebe sich aus dem Vortrag des Klägers schlüssig, dass T. W. im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen der Schuldnerin zahlungsunfähig gewesen sei.

Zahlungsunfähigkeit sei ein objektiver Zustand. Die Frage, ob noch von einer vorübergehenden Zahlungsstockung oder schon von einer endgültigen Zahlungsunfähigkeit auszugehen sei, müsse allein aufgrund der objektiven Umstände beantwortet werden. Zahlungsunfähig sei ein Schuldner, der aus Mangel an liquiden Mitteln nicht in der Lage sei, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Hierbei seien nur diejenigen liquiden Mittel einzubeziehen, die sich der Schuldner kurzfristig, also innerhalb von drei Wochen, beschaffen könne. Der Schuldner müsse über sie tatsächlich verfügen oder sie binnen drei Wochen verfügbar machen können. Forderungen gegen Dritte könnten nur insoweit eingesetzt werden, als sie tatsächlich bestünden und spätestens binnen drei Wochen realisierbar seien.

Vor diesem Hintergrund hätte das OLG die Zahlungsunfähigkeit des T. W. nicht deshalb verneinen dürfen, weil der Kläger die Möglichkeit eines T. W. zustehenden Gewinnanspruchs für das Geschäftsjahr 2020 nicht ausgeschlossen und insoweit seiner Darlegungslast nicht genügt habe. Es hätte vielmehr die angebotenen Beweise erheben müssen, weil der Kläger mit seinem Vorbringen sinngemäß behauptet habe, die Steuerforderung gegen T. W. sei wertlos gewesen, und der Beklagte dies bestritten habe.

Entgegen der Ansicht des OLG habe T. W. nach dem Gesellschaftsvertrag keinen Gewinnanspruch gegen die Schuldnerin für 2020 gehabt, schon weil ein entsprechender Jahresabschluss nicht auf- und festgestellt worden sei, ebenso wenig existiere ein Gewinnverwendungsbeschluss. Zudem hatte der Kläger behauptet, dass die Schuldnerin weder zahlungswillig- noch fähig gewesen sei.

Zutreffend habe das OLG dagegen festgestellt, dass ein Entnahmerechts des T. W. zur Deckung der mit einer Gewinnbeteiligung anfallenden Steuerverbindlichkeiten nicht bestanden habe.

Das Unterlassen der Erhebung der vom Kläger angebotenen Beweise sei verfahrensfehlerhaft erfolgt.

Im zweiten Rechtszug werde das OLG die Beweiserhebung nachzuholen haben. Sollte die Zahlungsunfähigkeit des T. W. danach feststehen, könne noch zu klären sein, ob der Beklagte trotz der Zahlungsunfähigkeit des T. W. noch - insolvenzbeständige – Vollstreckungsmöglichkeiten gegen diesen gehabt habe.

Download: Verjährung von Regressansprüchen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft

Allgemeines

Ansprüche unterliegen gemäß § 194 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) der Ver-jährung. Die regelmäßige Verjährung beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre, aller-dings gibt es eine Vielzahl von Sonderregelungen mit kürzeren oder längeren Fristen. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem zum einen der Anspruch entstanden ist und zum anderen der Gläubiger von den den An-spruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Darlegungs- und beweispflichtig für den Eintritt der Kenntnis ist im Prozess der vom Gläubiger in Anspruch genommene Schuldner. Während Kenntnis positive Kenntnis bedeutet und damit vor allem eine Tatsachenfrage ist, ist die Subsumtion unter die zweite Alternative „ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangen musste“ zusätzlich auch von Rechtsfragen geprägt, die im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bieten können.

Dies gilt schon bei natürlichen Personen, erst recht aber bei Gesellschaften und sonstigen Körperschaften und insbesondere bei Behörden. Bei Letzteren kommt hin-zu, dass sie im Allgemeinen nicht selbst der Rechtsträger von Ansprüchen gegen Dritte sind, sondern die sie tragende Körperschaft, wie etwa die Bundesländer.

Mit der Frage auf wessen Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis es in solchen Fällen ankommt, befasst sich die Besprechungsentscheidung. Anspruchsinhaber ei-ner Regressforderung war hier der Freistaat Bayern. In die Abwicklung des Gesamt-falls waren mehrere seiner Behörden verwickelt.

Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt seiner Entscheidung folgende Leitsätze voraus:

„1. Bei Behörden und öffentlichen Körperschaften beginnt die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche erst dann zu laufen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Be-hörde Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

2. Sind in einer regressbefugten Behörde mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig - nämlich die Leistungsabteilung hinsichtlich der Einstands-pflicht gegenüber dem Verletzten und die Regressabteilung bezüglich der Geltend-machung von Schadensersatz- oder Regressansprüchen gegenüber Dritten -, kommt es für den Beginn der Verjährung von Regressansprüchen grundsätzlich auf den Kenntnisstand der Bediensteten der Regressabteilung an. Die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Bediensteten der Leistungsabteilung ist demgegenüber regelmäßig unerheblich.“

Der zu entscheidende Fall

Der klagende Freistaat Bayern (Kläger) nimmt die Beklagten aus übergegangenem Recht seines Beamten L. auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in An-spruch.

Der im Dienst des Klägers stehende Polizeibeamte L., der dem Polizeipräsidium Oberbayern Süd zugeordnet war, erlitt am 09.10.2011 bei einem privaten Verkehrs-unfall erhebliche Verletzungen. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit. Mit Schreiben vom 13.10.2017 forderte der Kläger die Beklagte zu 3 als Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Fahrzeugs zur Erstattung von im Rahmen der Beihilfe übernommener Heilbehandlungskosten, von Kosten der Wiedereingliederung sowie wegen begrenzter Dienstfähigkeit geleisteter Zahlungen auf. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht (LG) Traunstein hat der im Jahr 2018 erhobenen Klage stattgege-ben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht (OLG) München die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage wegen Verjährung abgewie-sen und dazu ausgeführt, zwar hätten die Beklagten nicht nachweisen können, dass die zuständige Regressabteilung des Landesamtes für Finanzen des Klägers bereits vor dem 18.07.2016 Kenntnis von dem Verkehrsunfall des Beamten L. erlangt habe. Doch beruhe die vorherige Unkenntnis der Regressabteilung im verjährungsfreien Zeitraum auf grober Fahrlässigkeit im Sinne von § 199 BGB. Das OLG hatte die Verwaltungsbeamtinnen H und J zu der Behauptung der Beklagten angehört, dass die organisatorische Sicherstellung der frühzeitigen Information der Regressabteilung des Bayrischen Landesamts für Finanzen unzureichend gewesen sei, und sich auch auf ihre bestätigende Aussage gestützt.

Mit der vom BGH zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der BGH hebt das Verfahren auf verweist es an das OLG zurück.

Die Begründung des BGH

Bei Behörden und öffentlichen Körperschaften, so der BGH, beginne die Verjäh-rungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche erst dann im Sinne des § BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu laufen, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungs-berechtigten Behörde Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichti-gen erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen; verfügungsbe-rechtigt in diesem Sinne seien dabei solche Behörden, die die Entscheidungskompe-tenz für die zivilrechtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen hätten, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren sei.

Seien in derselben regressbefugten Behörde mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig – nämlich die Leistungsabteilung hinsichtlich der Ein-standspflicht gegenüber dem Verletzten und die Regressabteilung bezüglich der Gel-tendmachung von Schadensersatz- oder Regressansprüchen gegenüber Dritten –, komme es für den Beginn der Verjährung von Regressansprüchen grundsätzlich auf den Kenntnisstand der Bediensteten der Regressabteilung an. Die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Bediensteten der Leistungsabteilung sei demgegen-über regelmäßig unerheblich, und zwar selbst dann, wenn die Mitarbeiter dieser Ab-teilung aufgrund einer behördeninternen Anordnung gehalten seien, die Schadensak-te an die Regressabteilung weiterzuleiten, sofern sich im Zuge der Sachbearbeitung Anhaltspunkte für eine schuldhafte Verursachung des Schadens durch Dritte oder eine Gefährdungshaftung ergäben.

Grobe Fahrlässigkeit setze einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht ent-schuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 BGB liege demnach nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehle, weil er ganz naheliegende Überlegun-gen nicht angestellt und nicht beachtet habe, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm müsse ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eige-nen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können.

Die Obliegenheiten der Regressabteilung eines Leistungsträgers ergäben sich aus deren Aufgabe. Der Regressabteilung sei die Durchsetzung der übergegangenen Schadensersatzansprüche übertragen. Sie habe diese Ansprüche im Anschluss an die Leistungen, die der Dienstherr seinem geschädigten Beamten gewährt habe, zü-gig zu verfolgen. Dazu habe sie insbesondere ihr zugegangene Vorgänge der Leis-tungsabteilung sorgfältig darauf zu prüfen, ob sie Regressansprüche nahelegten. Ferner müsse sie behördenintern in geeigneter Weise sicherstellen, dass sie frühzei-tig von Schadensfällen Kenntnis erlange, die einen Regress begründen können.

Die Verletzung dieser Obliegenheiten könne im Einzelfall als grob fahrlässig zu be-werten sein. So etwa, wenn ein Mitarbeiter der Regressabteilung aus ihm zugeleite-ten Unterlagen in einer anderen Angelegenheit ohne Weiteres hätte erkennen kön-nen, dass die Möglichkeit eines Regresses in einem weiteren Schadensfall in Be-tracht komme, und er die Frage des Rückgriffes auf sich beruhen lasse, ohne die gebotene Klärung der für den Rückgriff erforderlichen Umstände zu veranlassen. Gleiches gelte, wenn die Mitarbeiter der Regressabteilung erkennen müssten, dass Organisationsanweisungen notwendig seien oder vorhandene Organisationsanwei-sungen von den Mitarbeitern der Leistungsabteilung nicht beachtet würden und es deswegen zu verzögerten Zuleitungen von Vorgängen gekommen sei.

Auch hier sei jedoch zu berücksichtigen, dass die (bloße) nachlässige Handhabung der vorbeschriebenen Obliegenheiten zur Begründung grober Fahrlässigkeit nicht genüge, vielmehr müsse der Gläubiger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in unge-wöhnlich grobem Maße verletzt haben.

Dies zugrunde gelegt hätte der im Streitfall zuständigen Regressabteilung beim Lan-desamt für Finanzen die Kenntnis der Zeuginnen H. und J. von einer unzureichenden organisatorischen Sicherstellung der frühzeitigen Information der Regressabteilung nicht ohne Weiteres zugerechnet werden dürfen, da sie dem Polizeipräsidium ange-hörten. Da schon eine Wissenszurechnung zwischen den Bediensteten der Leis-tungs- und der Regressabteilung derselben Behörde nicht stattfinde, gelte dies erst recht für Kenntnisse von Bediensteten unterschiedlicher Behörden.

Zudem habe der Kläger bereits vor dem Unfall des Beamten L. vom 09.10.2011 dienstliche Anweisungen dahingehend getroffen, dass in entsprechenden Fällen eine Unterrichtung der zuständigen Regressstelle auf drei Informationswegen, nämlich über die sachbearbeitende Beihilfestelle, über die Dienststelle des betroffenen Beam-ten und über den betroffenen Beamten selbst erfolgen sollte.

Darüber hinaus habe der Kläger vorgetragen, dass die über die Dienststelle des L. vorgesehene Meldung an die Regressabteilung aufgrund individuellen Versagens des Dienststellenleiters unterblieben sei, der das entsprechende Textfeld auf dem von ihm ausgefüllten Formular nicht angekreuzt habe. Ein solches individuelles Versagen des Dienststellenleiters im Einzelfall könnte der Annahme eines schweren organisato-rischen Obliegenheitsverstoßes von Bediensteten der Regressabteilung zusätzlich entgegenstehen. Mit dieser Frage werde das OLG sich zu befassen haben.

Download: Restschuldbefreiung – haftet der (ehemalige) Insolvenzschuldner für nicht abgeführte Umsatzsteuer aus dem Insolvenzverfahren?

Allgemeines

Nach § 1 der Insolvenzordnung (InsO) dient das Insolvenzverfahren einerseits dazu, die Gläubiger des Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, andererseits soll entweder durch einen Insolvenzplan das Unternehmen des Schuldners erhalten werden können oder durch die Restschuldbefreiung dem redlichen Schuldner ein Neustart ermöglicht werden.

Restschuldbefreiung kann dem Schuldner nach Maßgabe der §§ 286 ff. InsO erteilt werden. Sie bewirkt, dass er von den nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit wird und greift auch gegenüber Gläubigern, die sich nicht am Insolvenzverfahren beteiligt haben. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der §§ 286, 301 InsO werden von der Restschuldbefreiung nur die Insolvenzforderungen erfasst, das heißt, diejenigen Forderungen, die bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren. Dagegen greift die Restschuldbefreiung nicht bei den Masseverbindlichkeiten, die in erster Linie vom Insolvenzverwalter nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet werden.

Bei den Masseverbindlichkeiten ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Insolvenzverwalter nur das Recht hat, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Das sonstige (freie) Vermögen des Schuldners kann er nicht verpflichten. Daraus folgert die ganz überwiegende Meinung der insolvenzrechtlichen Literatur und die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), dass während des laufenden Insolvenzverfahrens und nach seinem Abschluss der Schuldner für Masseverbindlichkeiten, die vom Insolvenzverwalter begründet wurden, nur beschränkt auf die Insolvenzmasse haftet, was bedeutet, dass die Nachhaftung des Insolvenzschuldners für vom Insolvenzverwalter nicht erfüllte Masseverbindlichkeiten beschränkt ist auf die (regelmäßig nicht verwertbaren, weil wirtschaftlich wertlosen) Gegenstände, die der Insolvenzschuldner bei Abschluss des Verfahrens aus der Masse zurückerhalten hat.

Dagegen stehen mehrere Entscheidungen des BFH (VII. und IX. Senat) zur Haftung für vom Insolvenzverwalter begründete Einkommensteuern. Der BFH vertritt dort die Ansicht, die Rechtsprechung des BGH könne für Einkommensteuerschulden nicht gelten, weil deren Entstehung nur mittelbar durch Handlungen des Insolvenzverwalters beeinflusst werde; insofern fehle es an einem zurechenbaren Handlungsbeitrag des Insolvenzverwalters (siehe insbesondere BFH, Urteil vom 28.11.2017 – VII R 1/16, und BFH, Urteil vom 02.04.2019 – IX R 21/17). Der Schuldner hafte daher nach Aufhebung des Verfahrens für Einkommensteuermasseverbindlichkeiten unbeschränkt.

In der Besprechungsentscheidung setzt sich der XI. Senat des BFH von den beiden genannten Senaten zumindest bezüglich Umsatzsteuerschulden als Masseverbindlichkeiten ab. Er stellt seinem Urteil folgende Leitsätze voran:

1. Masseverbindlichkeiten fallen nicht unter die Restschuldbefreiung nach § 301 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO).

2. Eine Steuer wird auch dann ohne rechtlichen Grund gezahlt, wenn sie unter Protest beglichen wird und ihrer Geltendmachung eine dauerhafte Einrede entgegensteht (Fortführung des Urteils des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 10.11.2015 – VII R 35/13, BFHE 252, 201, BStBl II 2016, 372).

3. Beruhen Umsatzsteuerschulden als Masseverbindlichkeiten allein auf Handlungen des Insolvenzverwalters, kommt eine Haftung des Insolvenzschuldners mit seinem insolvenzfreien Vermögen während des Insolvenzverfahrens nicht in Betracht.

4. Diese Haftungsbeschränkung gilt weiter, wenn das Insolvenzverfahren nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 211 InsO) eingestellt sowie dem Insolvenzschuldner Restschuldbefreiung erteilt wurde (Fortführung des BFH-Urteils vom 10.11.2015 – VII R 35/13, BFHE 252, 201, BStBl II 2016, 372).

Der zu entscheidende Fall

Der Kläger erbrachte als Unternehmer steuerpflichtige Umsätze, bevor über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Sein Insolvenzverwalter führte das Unternehmen von 2008 bis 2010 fort, wobei auch in diesem Zeitraum umsatzsteuerpflichtige Umsätze ausgeführt wurden. Die Umsatzsteuer setzte das beklagte Finanzamt (FA) gegen den Insolvenzverwalter als Masseverbindlichkeiten fest. Der Verwalter entrichtete sie jedoch nicht. Die Steuern wurden auch später nicht entrichtet.

Am 15.07.2016 wurde dem Kläger Restschuldbefreiung erteilt und das Insolvenzverfahren am 28.09.2016 wegen Masseunzulänglichkeit nach § 211 InsO aufgehoben. Das FA verlangte die Umsatzsteuer nunmehr vom Kläger, dem ehemaligen Insolvenzschuldner. Dieser entrichtete die Rückstände, erklärte jedoch zuvor, den Zahlbetrag zurückzufordern. Er vertrat den Rechtsstandpunkt, die ihm erteilte Restschuldbefreiung stünde der Forderung entgegen, außerdem bestehe wegen der auf die Insolvenzmasse beschränkten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters eine dauernde Einrede. Das FA stellte dennoch mit Abrechnungsbescheid gemäß § 218 der Abgabenordnung (AO) fest, dass die Steuer durch die Zahlung ausgeglichen sei. Die geforderte Rückzahlung lehnte es ab.

Einspruch und Klage des Klägers blieben erfolglos. Auf seine Revision hebt der BFH die Vorentscheidung auf und gibt der Klage statt.

Die Begründung des BFH

Der BFH bestätigt erneut, dass die Restschuldbefreiung nach § 301 InsO nur die Insolvenzforderungen, nicht aber die Masseverbindlichkeiten, wie sie vorliegend in Rede stehen, erfasse. Eine analoge Anwendung der Vorschrift komme insoweit nicht in Betracht.

Der Kläger habe allerdings den im Streit stehenden Steuerbetrag ohne rechtlichen Grund im Sinne des § 37 Abs. 2 AO an das FA gezahlt, weil seine Nachhaftung auf die Masse beschränkt sei.

[§ 37 Abs. 2 AO lautet: „Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. …“]

Eine Steuer werde nämlich auch dann ohne rechtlichen Grund gezahlt, wenn sie (unter Protest) beglichen worden sei und ihrer Geltendmachung eine dauerhafte Einrede entgegenstehe. Als eine solche Einrede komme eine Beschränkung der Nachhaftung des Insolvenzschuldners für Masseverbindlichkeiten in Betracht.

Diese Beschränkung der Haftung des Schuldners und der Befugnisse des Insolvenzverwalters aus § 80 InsO greife bereits während des Insolvenzverfahrens ein, bestehe aber auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens nach der Rechtsprechung des BGH, der sich der XI. Senat des BFH vorliegend anschließt, fort.

Anders sei es hingegen, wenn der Schuldner Masseverbindlichkeiten selbst begründet habe oder sie zumindest auf eine Entscheidung des Schuldners zurückzuführen seien.

Soweit jedoch Umsatzsteuerverbindlichkeiten allein auf Handlungen des Insolvenzverwalters beruhten, komme eine Nachhaftung des (vormaligen) Insolvenzschuldners mit seinem insolvenzfreien Vermögen nicht in Betracht. Eine gegenteilige Sichtweise liefe auf eine fremdbestimmte Haftung hinaus. Eine in diesem Sinne fremdbestimmte Haftung ohne eigenen Verursachungsbeitrag wäre nicht nur verfassungsrechtlich bedenklich, sondern stünde auch mit dem in § 1 Satz 2 InsO formulierten Ziel eines wirtschaftlichen Neuanfangs des Insolvenzschuldners in unauflösbarem Konflikt.

Dass § 301 InsO für Masseverbindlichkeiten nicht gelte, deutet darauf hin, dass auch der Gesetzgeber von einer von vornherein beschränkten Nachhaftung für Masseverbindlichkeiten ausgegangen sei.

Vorliegend habe daher die vom Kläger erhobene Einrede der beschränkten Nachhaftung Erfolg; denn die streitigen Masseverbindlichkeiten wegen Umsatzsteuer seien ausschließlich auf Handlungen des Insolvenzverwalters zurückzuführen.

Damit werde nicht von dem [eingangs dargestellten] BFH-Urteil vom 28.11.2017 (VII R 1/16) zur Einkommensteuer abgewichen, sodass es einer Vorlage an den Großen Senat des BFH nicht bedürfe. Zwar habe auch dort der Insolvenzverwalter das Massevermögen verwertet, jedoch seien die stillen Reserven der verwerteten Masse aufgedeckt worden, die bereits vor/bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Vermögen des Schuldners angelegt gewesen seien. Daher sei die Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die mit der Verwertung durch den Insolvenzverwalter steuerwirksam aufgedeckt worden sei, latent bereits in vorinsolvenzlicher Zeit vorhanden gewesen.

Die Umsatzsteuer sei hingegen auf den einzelnen Umsatz bezogen; eine „Steuerverstrickung“ von stillen Reserven, die in den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens ruhten, sei ihr fremd. Die Haftung des Schuldners für als Masseverbindlichkeiten begründete Umsatzsteuerschulden wäre im Streitfall nach Abschluss des Insolvenzverfahrens ausschließlich fremdbestimmt, während die Höhe der Steuer im BFH-Urteil vom 28.11.2017 maßgeblich von der Wertentwicklung des Betriebsvermögens in der Zeit vor Insolvenzeröffnung abgehangen habe.

Ohne dass es für die Entscheidung ankam, weist der BFH auf zwei weitere Aspekte hin:

Zum einen sei die Nichtabführung der Umsatzsteuer durch den Insolvenzverwalter eine „rechtswidrige Handlung“, durch die die finanziellen Interessen der Union im Sinne von Art. 325 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) beeinträchtigt würden und auf die daher effektive und abschreckende Sanktionen anzuwenden seien.

Zum anderen stehe die Umsatzsteuer materiell nicht dem Steuerpflichtigen oder seinen Gläubigern oder dem Insolvenzverwalter zu, sondern sei an den Staat weiterzuleiten, auch wenn sie zunächst (formal) an den Steuerpflichtigen gezahlt werde. Das Unionsrecht stünde daher einer nationalen Rechtsvorschrift und Rechtspraxis nicht entgegen, die – anders als das geltende Recht – der Befriedigung der Gläubiger der Umsatzsteuer in der Insolvenz einen Vorrang vor den Gläubigern anderer Forderungen einräume.

Download: Persönliche Haftung des Insolvenzverwalters wegen (vermeintlicher) Garantieerklärung im Arbeitsrecht

Allgemeines

Der Insolvenzverwalter handelt nicht für sich persönlich, sondern für die Insolvenzmasse. Nach der in Rechtsprechung und Literatur vorherrschenden sogenannten Amtstheorie ist er Partei kraft Amtes. Das bedeutet, dass er bei der Erfüllung seiner Aufgaben materiell-rechtlich und prozessual zwar im eigenen Namen handelt, jedoch mit Wirkung für und gegen die Insolvenzmasse. Er verpflichtet und berechtigt sich mithin nicht in eigener Person.

Sowohl die Insolvenzordnung (InsO) selbst als auch einige Spezialgesetze (etwa die Abgabenordnung) kennen jedoch die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters bei Pflichtverletzungen.

Nach § 60 InsO ist der Insolvenzverwalter allen Beteiligten zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach der Insolvenzordnung obliegen. Er hat dabei für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen.

Kann eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden, so ist der Verwalter gemäß § 61 InsO dem Massegläubiger zum Schadenersatz verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Verwalter bei der Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung der Verbindlichkeit nicht ausreichen würde. Die Vorschrift bezieht sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nur auf solche Massegläubiger, mit denen der Insolvenzverwalter Verträge abgeschlossen hat. Die Gläubiger gesetzlicher Forderungen – also etwa der Fiskus - fallen nicht hierunter. Ihnen gegenüber haftet der nicht nach § 61 InsO. Satz 2 der Vorschrift grenzt den Anwendungsbereich weiter ein. Kann der Verwalter nachweisen, dass er aufgrund seiner ordnungsgemäßen Liquiditätsplanung bei Begründung der Verbindlichkeit, regelmäßig bei Vertragsschluss, berechtigterweise annahm, die Verbindlichkeit aus der Masse begleichen zu können, entfällt die Haftung.

Die §§ 60 und 61 InsO gelten auch für die Gläubiger arbeitsrechtlicher Forderungen auf Schadensersatz. Hiermit befasst sich die Besprechungsentscheidung. Sie setzt sich auch mit der Haftung nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen auseinander, so mit der Haftung aus einem persönlichen Garantieversprechen oder wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo).

Der zu entscheidende Fall

Soweit dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (LAG) zu entnehmen ist, hatte es über folgenden Sachverhalt zu entscheiden. Die Beklagte war Insolvenzverwalterin eines (nicht näher konkretisierten) Rechtsträgers eines Pflegeheims. Auf der Betriebsversammlung vom 26. Oktober 2023 kündigte sie an, das Heim zum 30. November 2023 zu schließen. Die Klägerin hatte behauptet, die Arbeitnehmer, unter ihnen sie selbst, hätten für ihr November-Gehalt gefürchtet und die Frage aufgeworfen, ob dieses gesichert sei. Das habe die Beklagte ohne Wenn und Aber bejaht und geäußert, die Arbeitnehmer bräuchten keine Angst um das Novembergehalt zu haben.

Die Klägerin hat dazu vorgetragen, nur mit dieser Erklärung hätte die Beklagte die Versorgung der Heimbewohner bis zur Schließung sicherstellen können. Die Erklärung sei jedoch wissentlich falsch gewesen, weil am 26. Oktober Masseunzulänglichkeit eingetreten gewesen sei, sodass die Gehaltszahlungen nicht hätten erfolgen können. Hätte die Beklagte dies nicht arglistig verschwiegen, hätte die Klägerin ihre Arbeitskraft zurückbehalten, sich anderweitig beworben oder Arbeitslosengeld bezogen. Diesen Schaden soll die beklagte Insolvenzverwalterin ausgleichen.

Das Arbeitsgericht Oldenburg (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem LAG keinen Erfolg.

Die Begründung des LAG

Das LAG setzt sich zunächst mit einer prozessualen Besonderheit auseinander, die in der gerichtlichen Praxis nicht selten auftritt. Wohl schon vor dem ArbG hatte die Klägerin die Beklagte nicht eindeutig individualisiert. Dem Wortlaut nach hatte sie wohl die Beklagte als Insolvenzverwalterin (also damit die Masse), nicht aber persönlich in Anspruch genommen. Das ArbG hatte ihr Vorbringen jedoch aus dem Zusammenhang dahin gedeutet, dass die Beklagte persönlich verklagt sein sollte. Die erneute Falschbezeichnung in der Berufungsschrift führe, so das LAG, nicht dazu, dass sich die Berufung gegen die Beklagte als Partei kraft Amtes richte. Die hierauf hindeutende Bezeichnung sei ersichtlich auf einen – abermaligen – Sorgfaltsmangel des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zurückzuführen und nicht auf die Absicht, eine andere Partei in Anspruch zu nehmen als noch in erster Instanz. Dies folge zwar nicht aus dem Inhalt der Berufungsschrift selbst, jedoch aus dem erstinstanzlichen Urteil, welches ihr beigefügt gewesen sei. Es lasse erkennen, dass die Beklagte persönlich in Anspruch genommen worden sei und dass deshalb das Passivrubrum durch das ArbG berichtigt worden sei.

Die Berufung sei jedoch unbegründet.

Eine Haftung der Beklagten ergebe sich nicht aus § 61 InsO.

Die Norm regele ausschließlich die Haftung des Insolvenzverwalters für die pflichtwidrige Begründung von Masseverbindlichkeiten. Aus ihr sei kein Anspruch auf Ersatz eines Schadens herzuleiten, der auf einem späteren Verhalten des Insolvenzverwalters beruhe. Sie lege keine insolvenzspezifischen Pflichten für die Zeit nach Begründung einer Verbindlichkeit fest. Der Verwalter hafte nicht für die Nichterfüllung der ohne seine Beteiligung entstandenen Masseforderungen, der sogenannten oktroyierten Forderungen, weil er auf die Entstehung und Höhe dieser Verbindlichkeiten keinen Einfluss habe. Seine persönliche Haftung beschränke sich vielmehr auf die Forderungen von Neumassegläubigern, die hinsichtlich dieser Forderungen erst durch seine Rechtshandlung, vor allem durch seine Vertragsschlüsse, zu Massegläubigern geworden seien. Der Begründung einer neuen Verbindlichkeit stehe es gleich, wenn der Verwalter die Erfüllung beiderseits nicht vollständig erfüllter gegenseitiger Verträge wähle oder mögliche Kündigungen von Dauerschuldverhältnissen unterlasse. Im letztgenannten Fall komme eine Ersatzpflicht aber nur für Verbindlichkeiten in Betracht, die nach dem Zeitpunkt entstünden, zu dem der Vertrag bei einer frühestmöglichen Kündigungserklärung geendet hätte. Bis zum Zeitpunkt der frühestmöglichen Beendigung könne der Verwalter die Leistung des Massegläubigers nicht verhindern, ohne selbst vertragsbrüchig zu werden. Deshalb könne es nicht haftungsauslösend sein, wenn der Insolvenzverwalter Masseverbindlichkeiten bis zum Zeitpunkt des frühestmöglichen Kündigungstermins bestehen lasse.

Vorliegend hafte die Beklagte nicht nach § 61 InsO, weil sie nicht eine Masseverbindlichkeit (den Gehaltsanspruch) willentlich begründet habe. Das ArbG habe zudem zutreffend ausgeführt, eine verspätete Kündigungserklärung sei der Beklagten nicht anzulasten, denn erst der Entschluss vom 25. Oktober, den Betrieb zum Ende des Monats November zu schließen, stelle den auch im Insolvenzverfahren erforderlichen Kündigungsgrund dar. Die Klägerin für den Monat November nicht freigestellt zu haben, sei keine Rechtshandlung; eine Freistellung hätte keinen Einfluss auf die Vergütungspflicht gehabt.

Eine Haftung der Beklagten ergebe sich auch nicht aus § 60 InsO, weil sie keine insolvenzspezifische Pflicht verletzt habe. Die Vorschrift sanktioniere nur die Verletzung solcher Pflichten, die den Insolvenzverwalter in dieser Eigenschaft nach den Vorschriften der Insolvenzordnung träfen. Dadurch werde der Gefahr einer ausufernden Haftung des Insolvenzverwalters vorgebeugt. Dazu gehörten keine solchen Pflichten, die ihm wie jedem Vertreter fremder Interessen gegenüber Dritten oblägen. Nicht insolvenzspezifisch seien außerdem im Allgemeinen Pflichten, die dem Insolvenzverwalter als Verhandlungs- und Vertragspartner des Dritten auferlegt seien.

Die Beklagte hafte auch nicht nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln persönlich.

Erfülle der Insolvenzverwalter die Verbindlichkeiten aus einem Arbeitsverhältnis während seiner Amtstätigkeit schlecht, nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht, seien die daraus folgenden Schadensersatzansprüche lediglich Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs.1 Nr. 1 InsO, für die nur die Masse hafte. Seien die Tatbestände der §§ 60, 61 InsO nicht erfüllt, komme eine persönliche Haftung des Verwalters nur in Ausnahmefällen in Betracht, etwa dann, wenn er eigene vertragliche Pflichten übernehme oder in besonderem Maß persönliches Vertrauen in Anspruch genommen habe.

Die Beklagte hätte jedoch auch dann, wenn die Behauptungen der Klägerin zuträfen, auf der Betriebsversammlung keine selbständige Garantieerklärung abgegeben und deshalb auch keine persönliche Einstandspflicht begründet.

Durch ein selbständiges Garantieversprechen verpflichte sich der Garantieschuldner, für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs einzustehen oder die Gefahr eines künftigen Schadens zu übernehmen. Er gewährleiste dem Gläubiger, auf jeden Fall die versprochene Leistung zu erhalten. Dabei hafte er auch für alle atypischen Zufälle. Der Garantieschuldner habe den Gläubiger so zu stellen, als wäre der garantierte Erfolg eingetreten oder der Schaden nicht entstanden. Er habe das mithin Erfüllungsinteresse zu ersetzen.

Die behauptete Erklärung zur Sicherheit der Gehaltszahlungen stelle keine solche Garantieerklärung dar. Die Beklagte habe die Arbeitnehmer im Oktober in ihrer Funktion als Insolvenzverwalterin informiert. Die Arbeitnehmer hätten nicht davon ausgehen können, sie habe darüber hinaus losgelöst von ihrer Amtsstellung und unter Einsatz ihres Privatvermögens Haftungsrisiken für künftige Zeiträume übernehmen wollen. Anderes lasse sich auch nicht mit den besonderen Umständen im Zeitpunkt der behaupteten Äußerung begründen. Auch eine befürchtete Gefährdung der Versorgung verbliebener Heimbewohner sei nicht geeignet, der behaupteten Erklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont den Erklärungswert einer persönlichen Garantieübernahme beizulegen. Die Erklärung, man brauche keine Angst zu haben, dass die Gehälter nicht gezahlt würden, stelle auch dann eine Wissens- und keine Willenserklärung dar.

Die Beklagte hafte ferner nicht aufgrund Verschuldens beim Vertragsschluss aus § 311 Abs. 3 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Eine solche sogenannte Sachwalterhaftung komme regelmäßig nur dann in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter in besonderem Maß Vertrauen für sich in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsabschluss erheblich beeinflusst habe.

Das sei hier nicht der Fall. Zwischen den Parteien hätten schon keine Vertragsverhandlungen stattgefunden. Die Beklagte habe zudem kein besonderes Vertrauen in Anspruch genommen; sie sei als Insolvenzverwalterin aufgetreten. In einem solchen Fall werde nicht mehr als das im Geschäftsverkehr übliche Vertrauen in Anspruch genommen.

Es komme auch kein deliktischer Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB in Betracht. Die Norm setze einen zumindest bedingten Schädigungsvorsatz voraus. Es reiche dagegen nicht aus, wenn die erheblichen Tatumstände lediglich objektiv erkennbar gewesen seien und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen. Das Vorbringen der Klägerin trage die Annahme nicht, dass die Beklagte erkannt und billigend in Kauf genommen hätte, dass das Entgelt für November 2023 nicht werde geleistet werden können, als sie die angebliche Äußerung getätigt habe.

Download: Gesellschafterdarlehen und gleichstehende Forderungen in der Insolvenz der Gesellschaft

Allgemeines

Alle Insolvenzgläubiger sind im Grundsatz gleich zu behandeln, vorrangige Forderungen wie die Konkursordnung sie kannte, sind in der Insolvenzordnung (InsO) nicht vorgesehen, sieht man von einer Besserstellung für bestimmte Steuerforderungen aus der Zeit der vorläufigen Insolvenzverwaltung ab. Die InsO kennt allerding nachrangige Forderungen gemäß § 39, die nur dann eine Quote erhalten, wenn die nicht nachrangigen Insolvenzforderungen nach § 38 InsO vollständig befriedigt werden können. Da dies äußerst selten ist, fallen die nachrangigen Forderungen im Allgemeinen vollständig aus.

Zu den nachrangigen Forderungen gehören nach § 39 Abs. 1 InsO zum Beispiel die seit der Verfahrenseröffnung laufenden Zinsen auf Insolvenzforderungen (Nr. 1), Geldstrafen (Nr. 3) oder Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens (Nr. 5), also Forderungen eines Gesellschafters gegen die schuldnerische Gesellschaft auf Rückzahlung eines ihr gewährten Darlehens. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO lautet:

„(1) Im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger werden in folgender Rangfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge, berichtigt:

1. – 4. …
5. nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen.“

Hat ein Gesellschafter im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag oder sogar noch danach eine Darlehensrückzahlung erhalten, hat der Insolvenzverwalter nach § 135 InsO die Möglichkeit, die Zahlung anzufechten. Dasselbe gilt, wenn der Gesellschafter in den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag eine Sicherheit für seine Darlehensrückzahlungsforderung erhalten hat. Auch § 135 InsO erfasst nicht nur klassische Gesellschafterdarlehen, sondern auch solche Forderungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen.

Die Besprechungsentscheidung befasst sich mit der Frage, wann eine solche wirtschaftliche Entsprechung gegeben ist, und gibt hierzu einen anschaulichen Überblick. Der Entscheidungstext wird daher unten nur leicht bearbeitet wiedergegeben. Der zu entscheidende Fall selbst, der keine großen Schwierigkeiten bot, wird vom Bundesgerichtshof (BGH) sehr kurz abgehandelt.

Der BGH stellt seinem Urteil folgende Leitsätze voraus:

„1. Regressansprüche eines Gesellschafters aufgrund der Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers stellen wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen gleichstehende Forderungen dar, ohne dass es insoweit – anders als bei einem Austauschgeschäft zwischen Gesellschaft und Gesellschafter – auf eine Stundung oder ein Stehenlassen der daraus folgenden Forderung des Gesellschafters gegen seine Gesellschaft ankäme.

2. Steht dem Gesellschafter im Rahmen eines mit seiner Gesellschaft abgeschlossenen Austauschgeschäfts ein Anspruch auf Erstattung von Auslagen zu, setzt eine Behandlung des Erstattungsanspruchs als wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen gleichstehende Forderung voraus, dass der Gesellschafter die Forderung rechtlich oder faktisch gestundet hat.“

Der zu entscheidende Fall

Die Schuldnerin war eine GmbH. Der Beklagte war ihr Gesellschafter.

Vom 19.01. bis 06.11.2017 zahlte die Schuldnerin in mehreren Tranchen insgesamt 7.000 € an den Beklagten. Der Buchungstext lautete jeweils „Rückzahlung“ oder gab nur den Namen des Beklagten an. Am 21.11.2017 wurde ein Insolvenzantrag über das Vermögen der Schuldnerin gestellt und am 13.04.2018 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger wurde gleichzeitig zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Kläger hat den Beklagten auf Erstattung dieser Zahlungen aufgrund Insolvenzanfechtung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Anspruch genommen, weil die Schuldnerin insoweit auf darlehensgleiche Gesellschafterforderungen gezahlt habe.

Der Beklagte hat im Prozess behauptet, bei drei Überweisungen in Höhe von insgesamt 1.400 € habe es sich um ausstehende Gehaltszahlungen (für 2015, für November 2016 und für Dezember 2016) gehandelt. [Die Zahlungen hierauf erfolgten jeweils mehr als 90 Tage nach Fälligkeit.] Mit den übrigen Überweisungen von 15 Einzelbeträgen habe ihm die Schuldnerin von ihm für sie getätigte Auslagen erstattet.

Das Landgericht (LG) München I gab der Klage statt, das Oberlandesgericht (OLG) München wies die Berufung zurück, die Revision des Beklagten weist der BGH hinsichtlich der Gehaltszahlungen zurück, im Übrigen hebt er die Sache auf und verweist sie an das OLG zurück.

Die Begründung des BGH

Die einzelnen Zahlungen der Schuldnerin an den Beklagten seien innerhalb des von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO bestimmten Jahreszeitraums vor dem Insolvenzantrag der Schuldnerin erfolgt. Dass es sich dabei zudem jeweils um Rechtshandlungen gehandelt habe, stehe ebenso wenig in Frage wie eine damit verbundene (mittelbare) Gläubigerbenachteiligung.

Die Zahlungen der Schuldnerin könnten im Streitfall unter zwei Voraussetzungen auf wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen gleichstehende Forderungen erfolgt sein. Sie seien darlehensgleich, soweit der Beklagte Regressansprüche aus der Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers geltend mache.

Soweit es sich bei den Zahlungen der Schuldnerin hingegen um die Befriedigung von aus Austauschgeschäften herrührenden Forderungen des Beklagten gehandelt habe, konkret angesprochen sind hier die drei Gehaltszahlungen, komme eine Behandlung als wirtschaftlich einem Darlehen gleichstehende Forderung nur in Betracht, wenn der Beklagte die Forderungen der Gesellschaft rechtlich oder faktisch gestundet habe. Dies gelte auch, soweit es sich um Ansprüche auf Erstattung von im Rahmen der Austauschgeschäfte entstandenen Auslagen handele.

Im Einzelnen sei wie folgt zu differenzieren:

Ein Gesellschafterdarlehen liege vor, wenn der Gesellschafter dem Schuldner einen Geldbetrag in einer vereinbarten Höhe zur Verfügung gestellt habe und der Schuldner verpflichtet sei, das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen. Bei einem solchen Darlehen komme es nicht auf die Dauer der Kreditgewährung an. Unter § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fielen daher auch kurzfristige Überbrückungskredite.

Den Gesellschafterdarlehen stelle § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in sachlicher Hinsicht Forderungen aus Rechtshandlungen gleich, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprächen. Maßgeblich sei insoweit, ob eine Rechtshandlung vorliegt, mit welcher der Gesellschafter in einer einem Gelddarlehen vergleichbaren Weise der Gesellschaft temporär Liquidität verschaffe.

Diese Voraussetzung sei für jede Forderung eines Gesellschafters auf Rückzahlung eines von ihm aus seinem Vermögen der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Geldbetrags erfüllt, sofern ein solcher Rückzahlungsanspruch durchgängig seit der Überlassung des Geldes bestanden habe und sich Gesellschafter und Gesellschaft von vorneherein einig gewesen seien, dass die Gesellschaft das Geld zurückzuzahlen habe.

Der Nachrang gemäß § 39 InsO beruhe auf der Bereitschaft des Gesellschafters, der Gesellschaft Mittel zur Finanzierung zur Verfügung zu stellen. Dies richte sich nicht nach der rechtlichen Form etwaiger Geldgeschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, sondern nach der wirtschaftlichen Funktion des Geschäfts. Das Gesetz behandele alle Gesellschafter-Fremdkapitalisierungsleistungen gleich.

Eine wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen entsprechende Leistung könne auch in der Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers durch den Gesellschafter liegen. Ein solcher Vorgang sei nämlich bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht anders zu beurteilen, als wenn der Gesellschafter seiner Gesellschaft zunächst einen Geldbetrag darlehensweise überlassen hätte und diese daraus sodann ihren Gläubiger selbst befriedigt hätte. Darüber hinaus entspreche er im wirtschaftlichen Ergebnis der Valutierung eines Gesellschafterdarlehens an einen Dritten auf Veranlassung und im Interesse der Gesellschaft.

Es mache keinen Unterschied, ob der Gesellschafter seiner Gesellschaft temporär finanzielle Mittel auf direktem Weg überlasse oder ob er einen Gesellschaftsgläubiger in der begründeten Vorstellung befriedige, anschließend bei der Gesellschaft Regress nehmen zu können und diese dem Verlangen später auch tatsächlich nachkomme. Tilge der Gesellschafter eine Verbindlichkeit seiner Gesellschaft und werde ihm die Aufwendung später von dieser erstattet, sei in der Regel vom Zeitpunkt der Zahlung an bis zur Erfüllung des Erstattungsverlangens das Bestehen eines durchgängigen Erstattungsanspruchs im Einvernehmen mit der Gesellschaft und somit eine darlehensgleiche Leistung anzunehmen.

In beiden Fällen führe der Gesellschafter der Gesellschaft aus seinem Vermögen zusätzliches Kapital zu und verbessere damit ihre Finanzierung. Auf diese Weise finanziere der Gesellschafter jeweils eine Geschäftstätigkeit, die ihm mittelbar über seine Stellung als Gesellschafter zugutekomme. Hätte der Gesellschafter selbst diese Geschäfte betrieben, wären die eigenen Mittel in der Insolvenz des Gesellschafters verloren. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ordne an, dass gleiches in der Insolvenz „seiner“ Gesellschaft zu gelten habe.

Die für die Einordnung maßgebliche Finanzierungsfunktion von Leistungen des Gesellschafters trete mit dem bei wirtschaftlicher Betrachtung (auch) in der Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers durch den Gesellschafter liegenden Zufluss von Geldmitteln in das Gesellschaftsvermögen ohne weiteres ein. Auf ein Stehenlassen der Regressforderung komme es daher insoweit von vornherein nicht an.

Über den Fall der Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers hinaus könne eine Forderung als darlehensgleich zu beurteilen sein, wenn der Gesellschafter einen eigenen fälligen Anspruch darlehensfremder Art aus einem Austauschgeschäft nicht gegen die Gesellschaft geltend mache, zum Beispiel Gehaltszahlungen „stehen lasse“.

Dies setze jedoch voraus, dass die Geldforderung des Gesellschafters der Gesellschaft rechtlich oder rein faktisch („Stehenlassen“) gestundet werde, weil dann die Stundung bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Darlehensgewährung bewirke. Ebenso könnten deutlich von marktüblichen Konditionen abweichende, rechtsgeschäftliche Fälligkeitsabreden, die im Rahmen von Verkehrsgeschäften zwischen der Gesellschaft und ihrem Gesellschafter getroffen würden, wirtschaftlich einer Darlehensgewährung entsprechen.

Die Bedingung einer rechtlichen oder faktischen Stundung als Voraussetzung der Annahme einer Kreditierung erkläre sich daraus, dass der Gesellschaft aus einem Austauschgeschäft zunächst nur die Sachleistung oder die Arbeitsleistung des Gesellschafters zufließe, ohne dass dies zu einer zusätzlichen Finanzierung der Gesellschaft führe. Dass die Gesellschaft das Entgelt nicht Zug-um-Zug bezahle, führe nicht in gleicher Weise wie der Zufluss weiterer Geldmittel zu einer besseren Finanzausstattung der Gesellschaft.

Ebenso scheide eine rechtliche oder rein faktische Stundung, die zur Umqualifizierung als Darlehen führe, stets aus, wenn eine Leistung bargeschäftlich (zeitnah) abgewickelt werde. Werde der für ein Bargeschäft unschädliche Zeitraum jedoch überschritten, sei entscheidend, ob die zeitliche Streckung des Leistungsaustausches zwischen Gesellschaft und Gesellschafter nach der Vertragsgestaltung oder der tatsächlichen Handhabung in einer Gesamtschau den Schluss auf eine Kreditgewährung rechtfertige. Nach Art, Inhalt und Umständen des tatsächlich gewährten Zahlungszeitraums müsse aufgrund einer Gesamtwürdigung feststehen, dass der Gesellschafter bei objektiver Betrachtung eine Finanzierungsentscheidung zugunsten der Gesellschaft getroffen habe. Die Gesellschafterleistung müsse nach ihrer wirtschaftlichen Funktion einer Leistung von Eigenkapital vergleichbar sein.

Zur Feststellung der Finanzierungsfunktion bedürfe es bei Austauschgeschäften einer wertenden Betrachtung und einer genauen Analyse des Einzelfalls. Es reiche nicht jede geringfügige Überschreitung der marktüblichen oder vereinbarten Zahlungsfrist oder des für einen Baraustausch unschädlichen Zeitraums aus.

Bei von vornherein getroffenen Fälligkeitsvereinbarungen liege erst dann eine wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen entsprechende Forderung vor, wenn sie deutlich von marktüblichen Konditionen abweiche.

Überschreite der zeitliche Abstand beim Austausch von Leistung und Gegenleistung den von markt- oder verkehrsüblichen Regelungen gesteckten Rahmen eindeutig, liege eine einem Gesellschafterdarlehen vergleichbare Leistung vor. Dies sei in der Regel aber erst anzunehmen, wenn eine Forderung aus einem Austauschgeschäft länger als drei Monate stehen gelassen werde. Unterhalb dieser Grenze bedürfe es bei Austauschgeschäften im Rahmen der Gesamtschau weiterer Indizien, um sie als wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen gleichstehend zu behandeln. Da eine Gesamtbetrachtung maßgeblich sei, seien die Wirkungen einer etwaigen Fälligkeitsvereinbarung und einer (faktischen) Stundung zusammen zu betrachten. [Das bedeutet, dass bei einer Zahlungsfrist von 30 Tagen und faktischem Stehenlassen von weiteren 60 Tagen eine wirtschaftlich einem Darlehen entsprechende Lage eintritt.]

Wirtschaftliche Vergleichbarkeit komme auch in Betracht, wenn dem Gesellschafter im Rahmen eines mit seiner Gesellschaft abgeschlossenen Dienstverhältnisses oder allgemein eines Austauschgeschäfts Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen zustehen und er diese Erstattungsansprüche der Gesellschaft rechtlich oder faktisch stundet. Allein die im Rahmen dieser Tätigkeiten entstandenen Aufwendungen begründen noch keine wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen gleichstehenden Forderungen.

Dies bedeute für den vorliegenden Fall, dass für die drei verspäteten Gehaltszahlungen die Annahme einer darlehensgleichen Gesellschafterleistung gemäß §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gerechtfertigt sei, wie auch das OLG entschieden habe, da die Zahlungsverzögerung jeweils mehr als drei Monate betragen habe.

Hinsichtlich der dem Beklagten entstandenen und von der Schuldnerin später erstatteten Auslagen habe das OLG dagegen nicht festgestellt, dass damit überhaupt Verbindlichkeiten der Schuldnerin durch den Beklagten erfüllt worden wären, wie dieser behauptet habe. Nur in diesem Fall könnte ohne weiteres von einer darlehensgleichen Gesellschafterleistung auszugehen sein. Habe es sich dagegen bei den Zahlungen um die Vergütung einer Dienst- oder Arbeitstätigkeit des Beklagten oder die Erstattung von damit im Zusammenhang stehenden Spesen oder ähnliche Aufwendungen gehandelt, komme es darauf an, ob eine Stundung oder ein Stehenlassen der Forderungen des Beklagten festgestellt werden könne. Dies wird das OLG München nachzuholen haben.

Download: Abtretung des Insolvenzanfechtungsanspruchs? Zulässigkeit und Rechtsfolgen

Allgemeines

Die Besprechungsentscheidung behandelt eine Vielzahl insolvenzrechtlicher Probleme. Hierzu zunächst eine Übersicht:

- Abtretbarkeit des Insolvenzanfechtungsanspruchs

Die Ausübung des Insolvenzanfechtungsrechts ist im Grundsatz untrennbar mit dem Amt des Insolvenzverwalters verbunden. Daher war früher höchst streitig, ob der Verwalter den Anspruch wirksam abtreten kann. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich jedoch mit Urteil vom 17.02.2011 (IX ZR 91/10) für die Abtretbarkeit entschieden, und dies seitdem mehrfach bestätigt, so auch mit der Besprechungsentscheidung. Die Abtretung darf allerdings nicht insolvenzzweckwidrig sein, was angenommen wird, wenn die Insolvenzmasse keine Gegenleistung erhält. Wird eine unangemessen niedrige Gegenleistung vereinbart, ist die Abtretung zwar wirksam, der Insolvenzverwalter haftet jedoch persönlich nach § 60 der Insolvenzordnung (InsO), wenn der Masse hieraus ein Schaden entsteht. Auch dies bestätigt die Besprechungsentscheidung.

- Wirkungen der Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf den abgetretenen Anspruch

Der Insolvenzanfechtungsanspruch erlischt mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Ob dies auch zu gelten hat, wenn der Insolvenzverwalter den Anspruch abgetreten hatte, ist vom BGH bisher nicht geklärt gewesen. Damit befasst sich nun die Besprechungsentscheidung.

- Wirkungen der Verjährung des Anfechtungsanspruchs auf die Rechte des Zessionars des Anfechtungsanspruchs

Der Anfechtungsanspruch verjährt nach § 146 Abs. 1 InsO nach der Regelverjährung, das heißt, die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Anfechtungsanspruch entsteht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Allerdings muss der Insolvenzverwalter als Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners, also hier des Anfechtungsgegners, Kenntnis erlangt haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt haben müssen. Tritt dieser Umstand erst nach dem Jahr der Verfahrenseröffnung ein, verschiebt sich der Beginn des Laufs der Verjährungsfrist entsprechend, in Einzelfällen auch um einige Jahre.

Ist der Anfechtungsanspruch verjährt, kann der Insolvenzverwalter ihn nicht mehr aktiv durchsetzen. Nach § 146 Abs. 2 InsO kann er allerdings auch dann noch die Erfüllung einer Leistungspflicht verweigern, wenn sie durch eine anfechtbare Rechtshandlung begründet wurde, also etwa die Herausgabe von Sicherungsgut verweigern, wenn das Sicherungsrecht anfechtbar gewährt wurde. Die Besprechungsentscheidung klärt die Frage, ob diese Vergünstigung auch für den Zessionar des Anfechtungsanspruchs greift.

- Feststellung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes

Die sogenannte Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO erfordert die Feststellung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners und diejenige der Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Vorsatz des Schuldners. Bis 2021 nahm die Rechtsprechung – etwas verkürzt ausgeführt – an, der Schuldner handele mit dem erforderlichen Vorsatz, wenn er im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte.

Der BGH hat jedoch mit Urteil vom 06.05.2021 (IX ZR 72/20) die Voraussetzungen für die Anfechtung nach § 133 InsO erheblich verschärft. Danach reicht es jetzt im Fall kongruenter Deckungen (der Anfechtungsgegner hat als Gläubiger genau das erhalten, worauf er einen Anspruch hatte) nicht mehr aus, dass der Schuldner erkannt zahlungsunfähig war, es muss vielmehr hinzukommen, dass der Schuldner ausgehend von objektiven Anhaltspunkten aus der Sicht ex ante selbst bei optimistischer Betrachtung unzweifelhaft auch in Zukunft nicht in der Lage sein wird, seine Verbindlichkeiten vollständig zu befriedigen.

Anders ist es, wenn der Anfechtungsgegner eine Deckung oder Sicherung erhalten hat, die er nicht oder jedenfalls nicht so verlangen konnte, also etwa statt Zahlung lediglich eine Sicherheit, zum Beispiel die Sicherungsübereignung eines PKW (inkongruente Leistung). Die Inkongruenz wird vom BGH als starkes Beweisanzeichen für den Vorsatz gewertet, jedenfalls dann, wenn sich der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung objektiv in beengten finanziellen Verhältnissen befand. Für die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Vorsatz soll es sogar ausreichen, dass er im Zeitpunkt der Rechtshandlung Anlass hatte, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln.

Der zu entscheidende Fall

Der spätere Insolvenzschuldner konnte spätestens ab 2009 eine gegen ihn und andere als Gesamtschuldner titulierte Forderung über 2,5 Mio. € nicht begleichen, selbst den internen Gesamtschuldnerausgleich konnte er nicht stemmen. Zu den weiteren Gesamtschuldnern gehörte auch sein Bruder, der spätere Kläger des vorliegenden Verfahrens.

Bereits 2005 hatte der Schuldner allerdings eine Erklärung („Schuldschein/Schuldanerkenntnis“) der späteren Beklagten erhalten, in der diese einen Schuldbetrag von 600.000 € bestätigte.

Der Schuldner trat die Forderung aus dem „Schuldschein“ am 10.03.2010 an den Kläger ab. Am 12.08.2013 wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter forderte den Kläger später zur Rückabtretung auf, eine Rückabtretung erfolgte jedoch nicht.

Im Jahr 2016 erhob der Kläger Klage gegen die Beklagte auf Zahlung der 600.000 €. Am 22.12.2016 trat der Insolvenzverwalter die Anfechtungsforderung gegen den Kläger an die Beklagte ab und im Jahr 2018 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.

Im Rechtsstreit mit dem Kläger machte die Beklagte mit Schriftsatz vom 09.01.2019 hilfsweise ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf den ihr abgetretenen Insolvenzanfechtungsanspruch geltend und stütze sich dazu auf den Einwand unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), den sogenannten dolo-agit-Einwand (dolo agit qui petit, quod statim redditurus est – Arglistig handelt, wer fordert, was er sogleich zurückzugeben hat). Ob der Anfechtungsanspruch zu diesem Zeitpunkt verjährt war, hatte das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg nicht festgestellt.

Das Verfahren befand sich im zweiten Rechtszug, da der BGH die Sache bereits im Jahr 2022 aufgehoben und an das OLG) zurückverwiesen hatte. Im zweiten Rechtszug wies das OLG die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH die Sache jetzt zum zweiten Mal auf und verwies sie erneut an das OLG zurück, das sich nun mit der Verjährung zu befassen haben wird.

Der BGH stellt seinem Urteil folgende Leitsätze voraus:

1. Hat der Schuldner eine Forderung gegen einen Drittschuldner in anfechtbarer Weise an einen Dritten abgetreten, führt nicht schon die Abtretung des anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs gegen den Dritten an den Drittschuldner zu einer Vereinigung von Forderung und Schuld in der Person des Drittschuldners (Konfusion).

2. Der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch erlischt nach seiner Abtretung an einen Dritten nicht mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens.

3. Ist der Anfechtungsanspruch verjährt, ist der Zessionar des Anfechtungsanspruchs nicht berechtigt, die Erfüllung einer Leistungspflicht zu verweigern, die auf einer anfechtbaren Handlung beruht.

4. Für die Erhebung des Einwands unzulässiger Rechtsausübung (dolo-agit-Einwand) kommt es maßgeblich darauf an, dass der vom Schuldner geltend gemachte Gegenanspruch im Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung des dolo-agit-Einwands im Prozess unverjährt ist; der spätere Eintritt der Verjährung ist insoweit ohne Bedeutung.

Die Begründung des BGH

Das OLG hatte im zweiten Berufungsurteil angenommen, dass die Zession der Rechte aus dem „Schuldschein“ nach § 133 InsO anfechtbar sei und dass die Abtretung des Anfechtungsanspruchs an die Beklagte zum Erlöschen der Forderung aus dem „Schuldschein“ durch Konfusion geführt habe. Eine Konfusion wird etwa angenommen, wenn der Schuldner der Forderung diese erwirbt.

Letzteres bestätigt auch der BGH, er urteilt jedoch, dass es vorliegend nicht zu einer Konfusion gekommen sei, denn die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung führe nicht dazu, dass sie als wirkungslos zu behandeln sei. Im Beispiel der Abtretung bedeute das, dass die Abtretung nicht durch die mit der Insolvenzeröffnung entstehende Anfechtbarkeit entfalle, sondern nur, dass dem Insolvenzverwalter ein Anspruch auf Rückabtretung zustehe. Erst wenn der Anfechtungsgegner diesen Anspruch, gegebenenfalls auch durch Zwangsvollstreckung, an die Masse zurückabtrete, entfalle die Wirkung der Anfechtung. Da vorliegend der Kläger die Forderung aus dem „Schuldschein“ entgegen der Aufforderung des Insolvenzverwalters nicht zurückabgetreten habe, stehe ihm diese Forderung nach wie vor zu, er sei allerdings dem Rückabtretungsanspruch bis zu dessen Verjährung dauerhaft ausgesetzt. In der Folge hätten Anspruch und Schuld aus dem „Schuldschein“ trotz der Abtretung durch den Verwalter an die Beklagte nicht in deren Person zusammenfallen, mithin keine Konfusion eintreten können.

Es kam jedoch in Betracht, dass der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der Klageforderung im Hinblick auf das ihr abgetretene Anfechtungsrecht zustand, weil sie sich möglicherweise auf den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung berufen konnte (dolo agit – siehe oben).

Eine Klageforderung sei dann wegen unzulässiger Rechtsausübung in voller Höhe nicht durchsetzbar, so der BGH, wenn dem Schuldner gegen den Gläubiger seinerseits ein (Gegen-)Anspruch zustehe, welcher der Klageforderung der Höhe nach entspreche oder diese übersteige. Weiter sei erforderlich, dass die Gegenforderung durchsetzbar sei, ein Prozess auf Rückgewähr also erfolgreich geführt werden könnte. Das gelte entsprechend für den Fall, dass der Schuldner der Klageforderung dieser einen infolge Abtretung erworbenen anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch entgegenhalte. Denn der anfechtbare Rechtserwerb sei auf die Anfechtung des Verwalters hin der Insolvenzmasse wieder zuzuführen. Demgemäß könne die Anfechtbarkeit des Rechtserwerbs dem Gläubiger als Einwendung entgegengehalten werden. Dieses Recht stehe auch dem Zessionar eines Anfechtungsanspruchs zu.

Der BGH prüft sodann die Anfechtbarkeit der Abtretung an den Kläger nach § 133 InsO. Das OLG hatte hierin eine kongruente Leistung gesehen und trotz der erschwerten Anforderungen (siehe oben) die Anfechtbarkeit bejaht. Letzteres bestätigt der BGH, weil der Schuldner in Anbetracht seiner erheblichen Verbindlichkeiten in Höhe von 2,5 Mio. € auch zukünftig nicht in der Lage sein werde, seine Schulden vollständig zu begleichen. Allerdings sei die Abtretung inkongruent gewesen, weil der Kläger keinen Anspruch hierauf gehabt habe, sodass sogar die geringeren Anforderungen an die Vorsatzfeststellung bei Inkongruenz zur Anwendung kämen. Da der Schuldner sich eindeutig in beengten finanziellen Verhältnissen befunden habe und der Kläger hiervon Kenntnis gehabt habe, sei die Abtretung nach § 133 InsO anfechtbar.

Dass das Insolvenzverfahren zwischenzeitlich aufgehoben worden sei, sei vorliegend bedeutungslos.

Allerdings erlösche das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters mit der vorbehaltlosen Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens. Ob dies auch im Fall der Abtretung des Anfechtungsanspruchs gelte, sei in der juristischen Literatur umstritten. Der BGH schließt sich der Meinung an, die dies verneint, was wie folgt begründet wird.

Zweck des Anfechtungsanspruchs sei es, Vermögensverschiebungen vor Insolvenzeröffnung zugunsten der Insolvenzgläubiger zu korrigieren. Der Anfechtungsanspruch erlösche mit Beendigung des Verfahrens, weil der Anspruch den Gläubigern nicht mehr zugutekommen und damit sein Zweck nicht mehr erreicht werden könne. Mit der Abtretung des Anfechtungsanspruchs und dem zugrunde liegenden Kausalgeschäft werde der Wert des Anfechtungsanspruchs jedoch bereits zur Masse gezogen.

Soweit der Zessionar die Gegenleistung noch nicht an die Masse erbracht habe oder eine Gegenleistung erst nach oder in Abhängigkeit von einer erfolgreichen Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs schulde, bedürfe es hinsichtlich dieser Gegenleistung der Anordnung einer Nachtragsverteilung. Dies habe jedoch auf den Fortbestand des abgetretenen Anfechtungsanspruchs keinen Einfluss. Im Ergebnis kann der Zessionar den Anfechtungsanspruch daher auch noch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens weiterverfolgen.

Allerdings, so der BGH weiter, lasse sich auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des OLG nicht ausschließen, dass der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung an der Verjährung des anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs scheitere. Denn der Einwand könne nur erhoben werden, wenn der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch, den die Beklagte dem Kläger im Wege des dolo-agit-Einwands entgegenhalte, im Zeitpunkt seiner erstmaligen Geltendmachung im Prozess mit Schriftsatz vom 09.01.2019 noch nicht verjährt gewesen sei, wozu das OLG nichts festgestellt habe.

Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung aus § 242 BGB sei eine unselbständige Einwendung, die mit dem (Gegen-)Anspruch (hier dem Anfechtungsanspruch) verjähre, aus dem sie abgeleitet werde.

Auf die Regelung des § 146 Abs. 2 InsO, die dem Insolvenzverwalter ein unverjährbares Leistungsverweigerungsrecht einräume, könne sich die Beklagte als Zessionarin nicht berufen. Nach dieser Vorschrift könne der Insolvenzverwalter die Erfüllung einer Leistungspflicht verweigern, die auf einer anfechtbaren Handlung beruhe, auch wenn der Anfechtungsanspruch verjährt sei. Der Wortlaut des § 146 Abs. 2 InsO stelle allein auf den Insolvenzverwalter ab. Eine analoge Anwendung zugunsten der Beklagten als der neuen Gläubigerin des Rückgewähranspruchs scheide aus.

Die analoge Anwendung einer Vorschrift erfordere zum einen eine planwidrige Regelungslücke, zum anderen die Vergleichbarkeit der zur Beurteilung stehenden Sachverhalte. Der zu beurteilende Sachverhalt müsse in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt habe, vergleichbar sein, dass angenommen werden könne, er wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Vorliegend fehle jedenfalls die Vergleichbarkeit der Interessenlage der Beklagten als neuen Gläubigerin mit derjenigen des Insolvenzverwalters.

§ 146 Abs. 2 InsO diene dem Schutz der Insolvenzmasse. Schon zur vergleichbaren Vorgängervorschrift des § 41 Abs. 2 der früheren Konkursordnung (KO) habe der BGH ausgeführt, dass die Vorschrift allein den Sinn habe, Ansprüche gegen die Masse und Leistungen aus der Masse abzuwehren, wenn sie unmittelbar oder mittelbar auf anfechtbaren Handlungen beruhten. Es solle verhindert werden, dass Gegenstände und Rechte, die noch in der Masse vorhanden seien, aufgrund eines anfechtbaren Rechtserwerbs deshalb der Masse entzogen werden, weil die Ausschlussfrist für die Ausübung des Anfechtungsrechts versäumt worden sei. § 146 Abs. 2 InsO beruhe wie § 41 Abs. 2 KO auf dem der Billigkeit entsprechenden Gedanken, dass der Anfechtungsgegner nach Ablauf der Anfechtungsfrist nicht die durch die anfechtbare Handlung begründete Leistungspflicht einfordern können solle.

Die Interessenlage der Beklagten als Zessionarin unterscheide sich hiervon. Zum einen werde sie ausschließlich im Eigeninteresse und nicht zugunsten der Masse tätig, zum anderen fehle es im Streitfall an dem von § 146 Abs. 2 InsO vorausgesetzten Zusammenhang zwischen anfechtbarer Handlung und der abzuwehrenden Leistungspflicht, „die auf einer anfechtbaren Handlung beruht“. Die Beklagte verweigere nicht die Erfüllung einer Leistungspflicht, die auf einer anfechtbaren Handlung beruhe und im Ausgangspunkt gegen die Masse gerichtet gewesen sei. Vielmehr verweigere die Beklagte die Erfüllung der gegenüber dem Zedenten als Insolvenzschuldner bestehenden eigenen Leistungspflicht, deren neuer Gläubiger der Kläger durch die anfechtbare Rechtshandlung geworden sei.

Jedoch bliebe der Beklagten der Einwand unzulässiger Rechtsausübung erhalten, wenn der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch als (Gegen-)Anspruch erst nach seiner erstmaligen Geltendmachung in noch unverjährter Zeit im weiteren Verlauf des Prozesses verjährt sei. Ausreichend sei, dass der dolo-agit-Einwand im Prozess rechtzeitig, also vor Verjährung des (Gegen-)Anspruchs der Beklagten geltend gemacht worden sei.

Das Urteil des OLG sei daher aufzuheben und die Sache an das OLG zurückzuverweisen, das die Frage der Verjährung des Anfechtungsanspruchs nunmehr zu klären habe.

Download: Glaubhaftmachung eines Insolvenzantragsgrunds durch Vorlage eines rechts-kräftigen Titels bei Einstellung der Zwangsvollstreckung

Vorbemerkung

Die Voraussetzungen, unter denen ein Gläubiger erfolgreich einen Insolvenzantrag gegen seinen Schuldner stellen kann, regelt § 14 der Insolvenzordnung (InsO):

„§ 14 Antrag eines Gläubigers
(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird.
(2) Ist der Antrag zulässig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören.
(3) Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird. Der Schuldner hat die Kosten auch dann zu tragen, wenn der Antrag eines Gläubigers wegen einer zum Zeitpunkt der Antragstellung wirksamen nichtöffentlichen Stabilisierungsanordnung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz abgewiesen wird und der Gläubiger von der Stabilisierungsanordnung keine Kenntnis haben konnte.“

Im Wesentlichen ist danach erforderlich, dass der Gläubiger seine Forderung, den Insolvenzgrund und sein rechtliches Interesse an der Insolvenzeröffnung glaubhaft macht. Eröffnungsgründe sind bei einem Gläubigerinsolvenzantrag die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO und, sofern der Schuldner eine juristische Person ist, auch die Überschuldung gemäß § 19 InsO. Das rechtliche Interesse besteht in aller Regel schon dann, wenn die Forderung und der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht sind.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) voraus, dass das Insolvenzgericht vom Vorliegen eines Eröffnungsgrunds überzeugt ist. Ist der Insolvenzeröffnungsgrund unabhängig davon gegeben, ob die Forderung des antragstellenden Gläubigers gegen den Schuldner besteht, setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht voraus, dass der Richter vom Bestehen dieser Forderung überzeugt ist. In diesem Fall genügt zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens – neben der anderweitig gewonnenen Überzeugung des Richters vom Vorliegen des Insolvenzgrunds – die Glaubhaftmachung der Forderung durch den antragstellenden Gläubiger, die nicht notwendig zu einer entsprechenden gerichtlichen Überzeugung führen muss, auch wenn dies häufig der Fall ist.

Im vorliegenden Fall war der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit allerdings nur dann gegeben, wenn die Forderung der antragstellenden Gläubiger Bestand hatte.

Der zu entscheidende Fall

Die Darstellung des Sachverhalts beruht sowohl auf der Beschwerdeentscheidung des Landgericht (LG) Karlsruhe (Beschluss vom 14.10.2024 - 20 T 23/24) als auch dem vorliegenden Beschluss des BGH.

Zwei vermeintliche (Insolvenz)Gläubiger hatten einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt. Zur Glaubhaftmachung des Insolvenzgrunds der Zahlungsunfähigkeit (§§ 14, 17 InsO) stützten sie sich auf Titel, die sie aufgrund testamentarischer Erbfolge von der Erblasserin erworben hatten, hierunter ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe. Der Schuldner verweigerte die Bedienung der von den Gläubigern vorgelegten Titel mit der Begründung, die Gläubiger seien nicht Erben geworden, da das zu ihren Gunsten errichtete Testament unwirksam sei. Der Schuldner war nur dann zahlungsunfähig, wenn die Forderungen der Gläubiger tatsächlich bestanden.

Das Insolvenzgericht eröffnete das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners nach Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hob das LG den Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen eines Verfahrensfehlers auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Insolvenzgericht zurück.

Der Schuldner erhob gegen die beiden Gläubiger „Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO“ und „Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO“ zum LG Karlsruhe unter anderem mit den Anträgen festzustellen, dass die Zwangsvollstreckung aus den von den Gläubigern aufgeführten Titeln unzulässig sei. Zur Begründung führte er (auch hier) aus, die Erbeinsetzung der beiden Gläubiger sei unwirksam. Das LG Karlsruhe stellte die Zwangsvollstreckung aus den genannten Titeln auf weiteren Antrag des Schuldners einstweilen ein.

Späterhin eröffnete das Insolvenzgericht, dessen erster Eröffnungsbeschluss aufgehoben worden war, (erneut) das Insolvenzverfahren. Die gegen diesen Beschluss vom Schuldner eingelegte sofortige Beschwerde wies das LG Karlsruhe als unbegründet zurück. Der Schuldner verfolgte die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses mit der Rechtsbeschwerde weiter und beantragte im Rahmen einer einstweiligen Anordnung die Aussetzung der Vollziehung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde. Mit Beschluss vom 21.11.2024 (zum selben Aktenzeichen ist auf unserer Website ebenfalls besprochen) setzte der BGH durch eine einstweilige Anordnung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf diesen Antrag des Schuldners hin aus.

Der vorliegende Beschluss beinhaltet nunmehr die Entscheidung über die Beschwerde des Schuldners. Der BGH gibt der Beschwerde statt, indem er den Beschluss des LG Karlsruhe aufhebt und die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurückverweist.

Die Begründung des BGH

Hänge das Vorliegen des Eröffnungsgrunds - wie vorliegend - vom Bestand der Forderung des antragstellenden Gläubigers dergestalt ab, dass der Schuldner nur dann zahlungsunfähig oder überschuldet sei, wenn die von dem antragstellenden Gläubiger geltend gemachte Forderung bestehe, reiche die Glaubhaftmachung der Forderung nicht aus. Der Gläubiger müsse dann den Bestand seiner Forderung beweisen, wenn ihr der Schuldner substantiiert widerspreche [nur im Fall des geführten Beweises kann sich das Gericht dann eine dementsprechende Überzeugung bilden].

Der Beweis könne durch die Vorlage eines Titels über die Forderung geführt werden. Sei die Forderung dagegen nicht tituliert, gingen Zweifel an ihrem Bestand zu Lasten des Gläubigers. Dem Insolvenzgericht obliege es jedoch nicht, rechtlich und tatsächlich zweifelhaften Einwänden des Schuldners gegen eine titulierte Forderung nachzugehen. Insoweit sei der Schuldner auf den Prozessweg zu verweisen, der – in Eilfällen auch kurzfristig – hinreichende Möglichkeiten zur Verfügung stelle, die Vollstreckbarkeit zu beseitigen. Sei dem Schuldner dies gelungen, fehle es an dem erforderlichen Beweis der Forderung des Gläubigers.

Allein ein entsprechender Antrag des Schuldners genüge insoweit allerdings nicht, erforderlich sei eine stattgebende Entscheidung des Prozessgerichts.

Auch bei einem bereits rechtskräftigen Titel, wie vorliegend, stehe es dem Beweis der Forderung und somit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits entgegen, wenn der Schuldner eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vor dem Prozessgericht erreicht habe.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit ihren weitreichenden Folgen hänge in entscheidender Weise in der vorliegenden Situation vom Bestand des Titels ab. Insoweit sei es angemessen, mit Blick auf die Eröffnungsvoraussetzungen keine höheren Anforderungen an die Beseitigung der Beweiswirkung des Titels zu stellen. Gelinge es dem Schuldner auf dem Prozessweg, die Einzelzwangsvollstreckung aus dem Endurteil vorläufig einstellen zu lassen, stehe dieser Umstand dem Betreiben der Gesamtvollstreckung mittels Insolvenzantrags einstweilen entgegen, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens lediglich und gerade auf diese eine Forderung gestützt werden solle. Der Schuldner würde ansonsten bei einem Insolvenzantrag seines Gläubigers wegen der Eilbedürftigkeit des Insolvenzeröffnungsverfahrens in vielen Fällen faktisch rechtlos gestellt, wenn er darauf verwiesen würde, erst das gegen ihn erwirkte Urteil in der Hauptsache, etwa durch ein erfolgreiches Rechtsmittel oder eine erfolgreiche Vollstreckungsgegenklage, zu Fall zu bringen.

Das LG Karlsruhe sei daher als Beschwerdegericht grundsätzlich nicht befugt gewesen, trotz der vom Schuldner erreichten einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des OLG Karlsruhe zu prüfen, ob die vom Schuldner gegen dieses Urteil erhobenen Klagen Erfolg haben würden.

Die einstweilige Anordnung des BGH, mit der am 21.11.2024 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgesetzt worden war, hatte nach der vorliegenden abschließenden Entscheidung des BGH keine Wirkung mehr. Dies hatte zur Folge, weil der Beschluss des LG Karlsruhe hiermit aufgehoben wurde, dass der Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts wieder in kraft trat. Der BGH hätte diesen erneut aussetzen können, sah hierzu aber keinen Anlass, weil das LG Karlsruhe zwischenzeitlich den Beschluss, mit dem es zunächst die Vollstreckung aus dem Titel einstweilen eingestellt hatte, wieder aufgehoben hatte.

Die Zurückverweisung war dennoch notwendig, weil der Beschluss des LG Karlsruhe, mit dem es die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen hatte, verfahrensfehlerhaft durch einen Einzelrichter erlassen worden war. Richtigerweise hätte dieser die Sache auf die mit drei Richtern besetzte Kammer verweisen müssen, nur diese hätte prozessordnungsgemäß die Rechtsbeschwerde zulassen können.

Vgl. auch die Besprechung zu BGH, Urteil vom 23.01.2025 – IX ZR 229/22, auf unserer Website. Dort geht es um die Frage, ob ein vorläufig vollstreckbarer Titel bei der Ermittlung des Insolvenzgrunds der Zahlungsunfähigkeit Berücksichtigung findet.

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Vorbemerkung

Die Insolvenzanfechtung ist oft ein wirksames Mittel zur Anreicherung der Insolvenzmasse und damit zur besseren quotalen Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Sie setzt nach § 129 der Insolvenzordnung (InsO) allgemein voraus, dass die anzufechtende Rechtshandlung vor der Insolvenzeröffnung vorgenommen wurde und sie die Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligt. Das ist der Fall, wenn sich die Befriedigung der Gläubiger infolge der Rechtshandlung schlechter gestaltet, als sie bei Hinwegdenken der Handlung gewesen wäre. Zusätzlich muss einer Anfechtungstatbestände der §§ 130 ff. InsO erfüllt sein. Die Voraussetzungen aller dieser Vorschriften muss der Insolvenzverwalter beweisen, allerdings stehen ihm auch einige Beweiserleichterungen zur Seite.

Nach § 130 InsO sind Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war. Ferner ist Voraussetzung, dass der Anfechtungsgegner, der selbst Insolvenzgläubiger sein muss, zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder, wenn die Handlung nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist, der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Die Beweislast liegt beim Insolvenzverwalter.

Weil ein Insolvenzgläubiger, der sich eine ihm nicht gebührende Sicherung oder Befriedigung (Inkongruenz) gewähren lässt, weniger schutzwürdig erscheint als jemand, der nur das erhält, was er zu beanspruchen hat, ist eine Leistung mit einer Inkongruenz zwischen Verpflichtung und Deckung einfacher anfechtbar. Der Gesetzgeber sieht sie wertungsmäßig in der Nähe der Schenkung, deren Anfechtung unter noch leichteren Bedingungen möglich ist. Dementsprechend hat der Gesetzgeber für Rechtshandlungen aus dem letzten Monat vor dem Insolvenzantrag außer der Inkongruenz selbst keine weiteren Anfechtungsvoraussetzungen für notwendig erachtet, wie sich aus § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ergibt. Insgesamt bestimmt § 131 InsO:

„Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,
1. wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,
2. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder
3. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.“

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Leistung in der Zwangsvollstreckung eine Leistung, die der Gläubiger eines Zahlungsanspruchs während der Krise des Schuldners im Sinne von § 131 nicht so zu beanspruchen hat. Sie ist als inkongruente Leistung nach § 131 InsO anfechtbar, wenn dessen übrige Voraussetzungen vorliegen. Dasselbe gilt für Leistungen, die der Schuldner zur Abwendung einer drohenden Zwangsvollstreckung erbringt. Häufig steht in Streit, ob die Zwangsvollstreckung ausreichend nahe bevorstand, um feststellen zu können, dass sie im Zeitpunkt der angefochtenen Handlung bereits in diesem Sinne drohte.

Der zu entscheidende Fall

Am 26.02.2020 waren die Beiträge der späteren Insolvenzschuldnerin zur Gesamtsozialversicherung fällig, sie wurden aber nicht entrichtet.

Die beklagte Sozialversicherung erließ daraufhin am 03.03.2020 einen Beitragsbescheid über 29.000 € einschließlich Säumniszuschlag und Mahngebühren, Zahlung sollte danach bis zum 12.03.2020 erfolgen. Im Betreff des Bescheids war angeführt: „Bitte denken Sie an Ihre Beitragszahlung“. Auszugsweise lautete das Schreiben ferner wie folgt:

"[...] die Sozialversicherungsbeiträge für Ihr Beitragskonto sind bisher nicht oder nicht vollständig bei uns eingegangen. Bitte überweisen Sie den Gesamtbetrag bis zum 12. März 2020 auf unser folgendes Konto und geben Sie dabei unbedingt den Verwendungszweck an. Andernfalls müssten wir die Beiträge im Rahmen der Zwangsvollstreckung einziehen lassen. Dies wäre mit weiteren Kosten für Sie verbunden. Sollten Sie die Beiträge bereits gezahlt haben, gleichen Sie bitte noch die Säumniszuschläge und die Mahngebühren aus. [...] Unsere Übersicht vom 3. März 2020 zeigt Ihnen, welche Beiträge noch offen sind. [...] Die monatlichen Beiträge gelten dann als rechtzeitig gezahlt, wenn sie unserem Konto spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats gutgeschrieben sind. [...] Gehen Ihre Beiträge verspätet bei uns ein, sind wir verpflichtet, einen Zuschlag zu erheben. Dieser beträgt für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Prozent der auf volle 50 EUR nach unten abgerundeten ausstehenden Beiträge. [...] Gern bieten wir Ihnen an, die Beiträge von Ihrem Konto abzubuchen. So versäumen Sie keinen Termin und eventuelle Beitragsänderungen berücksichtigen wir automatisch. […] Wenn Sie mit diesem Bescheid nicht einverstanden sind, beachten Sie bitte unseren Hinweis am Ende des Schreibens. [...]" Der anschließende Hinweis enthielt eine Rechtsmittelbelehrung zum Widerspruch.

Die Schuldnerin zahlte am 17.03.2020 30.400 € auf den Monatsbeitrag Februar. Am 05.06.2020 wurde ein Insolvenzantrag über ihr Vermögen gestellt und am 01.08.2020 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser begehrt von der Beklagten den gezahlten Beitrag unter Berufung § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO (Rechtshandlung im dritten Monat vor dem Insolvenzantrag) zurück.

Die Klage hatte weder vor dem Landgericht (LG) noch dem Oberlandesgericht Hamburg (OLG) Erfolg. Das OLG hatte schon die Inkongruenz der Zahlung verneint und daher keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Schuldnerin bei der Zahlung bereits zahlungsunfähig gewesen ist, was für eine erfolgreiche Anfechtung § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO erforderlich gewesen wäre. Der Bundesgerichtshof (BGH) ist gegenteiliger Ansicht und hebt die Sache auf und verweist sie zur Klärung der Frage der Zahlungsunfähigkeit an das OLG zurück. Er stellt seiner Entscheidung folgenden Leitsatz voran:

„Eine Zahlung des Schuldners an einen Sozialversicherungsträger in dem Zeitraum von drei Monaten vor Insolvenzantragstellung erfolgt nach seiner objektivierten Sicht unter dem Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung und ist damit inkongruent, wenn der Gläubiger zuvor eine Frist zur Zahlung des fälligen Beitrags gesetzt und für den Fall nicht fristgemäßer Zahlung die ohne weiteres mögliche Zwangsvollstreckung angekündigt hat, auch wenn die Zahlungsaufforderung insgesamt in einem "freundlichen" Tonfall abgefasst ist.“

Die Begründung des BGH

Der BGH meint, die Zahlung der Schuldnerin sei inkongruent im Sinne des § 131 InsO gewesen, da sie unter unmittelbarem Vollstreckungsdruck erfolgt sei.

Bei dem mit einer Widerspruchsbelehrung versehenen Bescheid der Beklagten handele es sich um eine behördliche Entscheidung, deren Auslegung durch das OLG der BGH [anders als bei sonstigen Dokumenten] uneingeschränkt überprüfen könne, zumal es sich hierbei um ein über den Einzelfall hinaus verwendetes Formschreiben der Beklagten handele. Dies rechtfertige eine eigene Auslegung durch den BGH im Interesse einer einheitlichen Handhabung und damit der Rechtssicherheit.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH sei eine innerhalb des Zeitraums der Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherheit oder Befriedigung inkongruent. Dies gelte auch, wenn der Schuldner in der Krise zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung geleistet habe.

Das die Einzelzwangsvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip werde durch das System der insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln eingeschränkt, wenn für die Gesamtheit der Gläubiger nicht mehr die Aussicht bestehe, aus dem Vermögen des Schuldners volle Deckung zu erhalten. Dann trete die Befugnis des Gläubigers, sich mit Hilfe hoheitlicher Zwangsmittel eine rechtsbeständige Sicherung oder Befriedigung zu verschaffen, hinter den Schutz der Gläubigergesamtheit zurück. § 131 InsO verdränge in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag den Prioritätsgrundsatz zugunsten der Gleichbehandlung der Gläubiger. Dafür reiche es, wenn die entsprechende Rechtshandlung unter dem Druck unmittelbar bevorstehender Zwangsvollstreckung gewährt worden sei.

Der Schuldner leiste unter dem Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung, wenn der Gläubiger aus der objektivierten Sicht des Schuldners zum Ausdruck gebracht habe, dass er alsbald zwangsvollstrecken werde, sofern der Schuldner die Forderung nicht erfülle. Dies sei der Fall, wenn der Schuldner damit rechnen müsse, der Gläubiger werde nach dem kurz bevorstehenden Ablauf einer letzten Zahlungsfrist mit der ohne weiteres zulässigen Zwangsvollstreckung sofort beginnen. Dabei könne selbst eine Formulierung genügen, die dies zwar nicht ausdrücklich androhe, ein derart geplantes Vorgehen aber „zwischen den Zeilen“ deutlich werden lasse.

Im Streitfall habe die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 03.03.2020 die Voraussetzungen für eine zwangsweise Durchsetzung ihrer Forderung geschaffen. Die Beklagte habe danach die Zwangsvollstreckung wie ein sonstiger Gläubiger nach der Zivilprozessordnung veranlassen können, vor allem aber habe sie die Möglichkeit, aufgrund eigener Vollstreckungsanordnung durch eigenes Personal als Vollstreckungsbeamte die Beitragsforderung zu vollstrecken.

Es komme dabei nicht entscheidend darauf an, ob der Schuldnerin dieser letztgenannte Umstand bekannt gewesen sei und ob die Beklagte in ihrer Vollstreckungspraxis womöglich regelmäßig das Hauptzollamt als Vollstreckungsbehörde beauftrage und dieses stets vor der Ergreifung von Zwangsmaßnahmen dem Schuldner noch eine weitere Zahlungsfrist setze, wie die Beklagte behauptet hatte. Denn mit einem solchen Auftrag an das Hauptzollamt leite die Beklagte die Zwangsvollstreckung selbst ein.

Die Schuldnerin hätte nach ihrer objektivierten Sicht schon allein aufgrund der ihr gesetzten Frist in Verbindung mit der gleichzeitigen Ankündigung, anderenfalls müsse die Beklagte die Beiträge im Rahmen der Zwangsvollstreckung einziehen, mit der Möglichkeit zu rechnen gehabt, dass die Beklagte nach Ablauf der Frist sofort und ohne weitere Zwischenschritte mit der Zwangsvollstreckung beginnen werde. Daran ändere auch die „freundliche“ Formulierung des Bescheids einschließlich des Betreffs, der zunächst an eine bloße erste Zahlungserinnerung denken lassen möge, etwas.

Unerheblich sei auch, dass Fristsetzung und Vollstreckungsandrohung in einen längeren Text eingekleidet seien. Entscheidend sei vielmehr, dass das Schreiben mit der Fristsetzung und dem damit verbundenen Hinweis auf die Zwangsvollstreckung nicht nur einen bloß unverbindlichen Hinweis auf theoretisch mögliche Folgen einer nicht fristgemäßen Zahlung enthalten habe. Der Text verknüpfe vielmehr die Zahlungsfrist mit der Vollstreckungsankündigung („Andernfalls“). Die Schuldnerin habe deshalb vor einem Beginn der Zwangsvollstreckung nicht noch weitere Mahnungen oder Vollstreckungsandrohungen der Beklagten erwarten können. Ihr habe vielmehr klar sein müssen, dass die Beklagte mit dem Bescheid meine, was sie formuliert habe, nämlich die Schaffung einer Drucksituation. Für den Fall der Nichtzahlung habe sie mit einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung rechnen müssen, zumal in der Widerspruchsbelehrung darauf hingewiesen werde, dass ein Widerspruch keine zahlungsaufschiebende Wirkung habe.

Ein anderes Verständnis würde es öffentlich-rechtlichen Gläubigern mit eigener Vollstreckungskompetenz und insbesondere gerade daraus resultierendem Drohpotential ermöglichen, noch in der Krise eines Schuldners Forderungen entgegen § 1 InsO zu Lasten der Gläubigergesamtheit durch Formulierungen „zwischen den Zeilen“ im Leistungsbescheid vollständig durchzusetzen. Dies stünde mit dem Ziel des § 131 InsO nicht im Einklang, bei verdächtigen Zahlungen eine erleichterte Anfechtung, insbesondere ohne einen subjektiven Vertrauensschutz für den Anfechtungsgegner, zu ermöglichen.

Download: Direktanspruch gegen die Berufshaftpflichtversicherung einer WP-Gesellschaft

Vorbemerkung

Diese erst in 2025 veröffentlichte Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (OLG) befasst sich mit zwei, sich gegenseitig beeinflussenden Themenkomplexen, einem zivilprozessrechtlichen Problem und einem versicherungsrechtlichen Meinungsstreit.

Prozessrechtlich geht es um die mündliche Verhandlung, deren Durchführung § 128 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) garantiert: „Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich.“ Diese Vorschrift steht im Zusammenhang mit der von Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) geschützten Recht auf eine öffentliche Verhandlung und wird durch den Unmittelbarkeitsgrundsatz ergänzt. Ein Verstoß gegen § 128 Abs. 1 ZPO ist ein wesentlicher Verfahrensfehler.

Sind allerdings beide Parteien darüber einig, dass das Verfahren schriftlich durchgeführt werden soll, verzichten sie also übereinstimmend auf den Schutz durch die mündliche Verhandlung, steht es im Ermessen des Gerichts im sogenannten schriftlichen Verfahren zu entscheiden, wie § 128 Abs. 2 ZPO näher bestimmt:

„Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind.“

Das OLG Köln hatte sich in der Besprechungsentscheidung mit dem zweiten Teilsatz der Norm zu befassen, nämlich mit der Frage, was unter einer wesentlichen Änderung der Prozesslage zu verstehen ist, die zum Widerruf der Zustimmung berechtigt.

Materiell war zu entscheiden, wann von einem Geschädigten ein Direktanspruch gegen den Berufshaftpflichtversicherer einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (WP-Gesellschaft) geltend gemacht werden kann.

Schädigt jemand einen anderen, kann der Geschädigte grundsätzlich nur den Schädiger selbst in Anspruch nehmen. Hat dieser eine Haftpflichtversicherung, die den Schaden abdeckt, ist eine direkte Inanspruchnahme der Versicherung im Grundsatz nicht möglich, der Geschädigte ist vielmehr darauf verwiesen, den Anspruch gegen den Schädiger titulieren zu lassen und sodann, falls der Schädiger nicht zahlt, im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Titel dessen Deckungsanspruch gegen die Versicherung zu pfänden und einzuziehen.

Dieses etwas umständlichen Vorgehens bedarf es bei einigen Haftpflichtversicherungstypen jedoch nicht, das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ermöglicht dem Geschädigten infolge ausdrücklicher Regelung hier den Direktzugriff auf die Versicherung („action directe“). Dies gilt zum Beispiel für den praktisch bedeutsamen Fall der KFZ-Haftpflichtversicherung. In welchen Fällen der Geschädigte den Direktanspruch geltend machen kann, bestimmt § 115 VVG:

„§ 115 Direktanspruch
(1) Der Dritte kann seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen,

1. wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach § 1 des Pflichtversicherungsgesetzes oder nach § 3 des Auslandsfahrzeug-Pflichtversicherungsgesetzes bestehenden Versicherungspflicht handelt oder
2. wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist oder
3. wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist.

Der Anspruch besteht im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis und, soweit eine Leistungspflicht nicht besteht, im Rahmen des § 117 Abs. 1 bis 4. Der Versicherer hat den Schadensersatz in Geld zu leisten. Der Versicherer und der ersatzpflichtige Versicherungsnehmer haften als Gesamtschuldner. …“

Ob § 8 Abs. 4 des Gesetzes über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz - PartGG) eine Konkretisierung des § 115 VVG im Sinne der Eröffnung des Direktzugriffs vorsieht, ist in der juristischen Literatur umstritten. Das OLG Köln umschreibt dieses Problem wie folgt: „§ 8 Abs. 4 PartGG sieht eine Beschränkung der Haftung wegen fehlerhafter Berufsausübung auf die Partnerschaftsgesellschaft vor, wenn die Partnerschaft eine zu diesem Zweck durch Gesetz vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung unterhält. Es handelt sich bei dieser Versicherung nicht um eine Pflichtversicherung. Einzelheiten zum notwendigen Inhalt dieser Versicherung sind in § 54 Abs. 1 Satz 2 WPO geregelt. Außerdem bestimmt § § 8 Abs. 4 Satz 2 PartGG, dass für diese Berufshaftpflichtversicherung § 113 Abs. 3 und die §§ 114 - 124 VVG entsprechend gelten. § 115 VVG enthält weitere Bestimmungen für einen gegen die Versicherung gerichteten Direktanspruch und besagt, dass ein Dritter bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen einen Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer hat, nämlich … wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist …“

Das OLG Köln hatte zu entscheiden, ob es auch im Fall des § 8 Abs. 4 PartGG für den Direktanspruch erforderlich ist, dass zusätzlich die Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 VVG erfüllt sind. Etwas vereinfacht war folgender Sachverhalt zu beurteilen:

Der zu entscheidende Fall

Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche im Zusammenhang mit von der Beklagten zu 1, einer WP-Gesellschaft, für die Klägerin erbrachten Prüfungsleistungen. Die Beklagte zu 1 ist in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft organisiert, die Beklagten zu 2 und 3 sind die Partner. Die Beklagte zu 1 unterhält seit dem 01.07.2016 eine Berufshaftpflichtversicherung bei der Beklagten zu 4. Sie trat im Schriftverkehr gegenüber der Klägerin mit verschiedenen Namenszusätzen auf, die teilweise auf eine beschränkte Haftung hinwiesen.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten im Wege der gesamtschuldnerischen Haftung einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 231.501,26 EUR geltend. Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 bestand ein Vertrag über die Prüfung eines IT-Projekts. Die Klägerin rügt Pflichtverletzungen und Fehler im Rahmen dieser Prüfung und begehrt Ersatz von Gutachterkosten in der eingangs genannten Höhe. Die Klägerin hat ihre Klage zunächst nur gegen die jetzige Beklagte zu 1 gerichtet. Mit Schriftsatz vom 14.06.2022 hat sie die Klage auf die nunmehrigen Beklagten zu 2 und 3 erweitert und die Verurteilung aller Beklagten als Gesamtschuldner beantragt. Schließlich hat sie mit Schriftsatz vom 24.05.2023 die Klage auch auf die Beklagte zu 4 erweitert und sich auf deren gesamtschuldnerische Haftung berufen.

Das Landgericht Köln (LG) hat, soweit hier von Interesse, die gegen die Beklagte zu 4 gerichtete Klage durch Teilurteil abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Mit Schriftsätzen vom 26. bzw. 29.07.2024 haben die Parteien einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt. Das OLG Köln hat daraufhin das schriftliche Verfahren angeordnet, Schriftsatzeinreichungsfrist bis zum 09.10.2024 und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 23.10.2024 bestimmt. Mit am 09.10.2024 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin ihre Zustimmung wegen wesentlicher Änderung der Prozesslage widerrufen, weil die Beklagte zu 1 zwischenzeitlich zahlungsunfähig geworden sei, da sie eine anderweitige Forderung über rund 10.000 € seit längerem nicht beglichen habe und die Klägerin am 07.10.2024 einen Insolvenzantrag gegen sie eingereicht habe.

Das OLG Köln hat dennoch das Besprechungsurteil am 23.10.2024 verkündet und die Revision zugelassen. Die Klägerin scheint die damit eröffnete Möglichkeit, den Bundesgerichtshof (BGH) anzurufen, nicht genutzt zu haben.

Die Begründung des OLG Köln

Das OLG Köln verneint eine wesentliche Änderung der Prozesslage im Sinne des § 128 Abs. 1 ZPO. Sie läge auch unter Berücksichtigung des letzten Schriftsatzes der Klägerin nicht vor. Eine wesentliche Änderung der Prozesslage hätte sich für die Klägerin nur dann ergeben, wenn gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG entweder das Insolvenzverfahren bereits eröffnet, der Antrag mangels Masse abgelehnt oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden wäre. Nur bei Erfüllung einer dieser Voraussetzungen käme ein Direktanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 4 in Betracht. Diese Voraussetzungen hätten aber im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht vorgelegen, so dass es weiter auf die vom LG im Teilurteil behandelte Frage ankomme, ob § 8 Abs. 4 Satz 2 PartGG in Verbindung mit § 115 VVG der Klägerin ungeachtet der weiteren Voraussetzungen der zuletzt genannten Norm einen Direktanspruch gegen die Beklagte zu 4 eröffne. An dem für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Sach- und Streitstands habe sich noch nichts geändert. Durch den bloßen Insolvenzantrag ergebe sich eine solche Änderung nicht, weil § 115 VVG hierauf keine Anwendung finde und es einer Analogie bedürfe es nicht.

Das OLG Köln sieht auch keinen hinreichenden Grund dafür, von sich aus, was möglich wäre, von einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren abzusehen und neuen Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen, da die Klägerin von der offenen Forderung gegen die Beklagte zu 1 lange Zeit vor der Erteilung der Zustimmung zum schriftlichen Verfahren Kenntnis gehabt habe und die Forderung schon damals Hinweise auf eine mögliche Überschuldung und Veranlassung für einen Insolvenzantrag hätte geben können. Die Entscheidung im schriftlichen Verfahren verletze auch keine Rechte und Interessen der Klägerin. Sie könne die Beklagte zu 4 gesondert verklagen, die Rechtskraft des vorliegenden Urteils stehe dem nicht entgegen. - Den Nachteil einer Belastung mit Gerichtskosten, der sich daraus ergebe, habe sie dadurch in Kauf genommen, dass sie ihre Klage gegen die Beklagte zu 4 ganz bewusst unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 115 VVG erhoben habe.

Auf dieser Grundlage habe das LG ausnahmsweise durch Teilurteil die Klage gegen die Beklagte zu 4 abweisen dürfen, weil dieses für die Entscheidung der Klage im Übrigen keine Auswirkungen habe.

Hinsichtlich der Änderung der Prozesslage komme es darauf an, ob § 8 Abs. 4 PartGG die direkte Klage gegen die Versicherungsgesellschaft schon allein ermögliche oder ob auch die Voraussetzungen des § 115 VVG erfüllt sein müssten. Denn nur im ersten Fall habe sich durch den Insolvenzantrag die Prozesslage wesentlich geändert. Die Frage sei [wie eingangs dieser Besprechung bereits dargestellt] in der juristischen Literatur streitig.

Das OLG Köln schließt sich, obwohl es annimmt, die Gesetzgebungsgeschichte spreche eher für die gegenteilige Auffassung, der Meinung an, die die action directe auch im Fall des § 8 Abs. 4 PartGG ablehnt, wenn die Voraussetzungen des § 115 VVG nicht gegeben sind.

Der Wortlaut des § 8 PartGG enthalte keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür, ob der Verweis als Rechtsfolgenverweisung zu verstehen sei oder ein Direktanspruch gegen den Versicherer von der Erfüllung der in § 115 VVG bezeichneten Voraussetzungen abhänge (Rechtsgrundverweisung). In den Gesetzesmaterialien sei zwar von einer „Rechtsfolgenverweisung“ die Rede, dieser Begriff werde jedoch lediglich in einen Zusammenhang mit § 117 VVG gestellt. Es fehle in der Gesetzesbegründung jeder weitere Hinweis auf ein weitergehendes Verständnis. Eine Rechtsfolgenverweisung sei jedenfalls in Bezug auf § 115 VVG durch die Gesetzesbegründung nicht ausgeschlossen.

Bei der Auslegung des § 8 Abs. 4 Satz 2 PartGG sei dagegen systematisch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber im Bereich der Pflichtversicherung nur im Fall der Kfz-Pflichtversicherung einen von den weiteren Voraussetzungen des § 115 VVG unabhängigen Direktanspruch des Geschädigten gegen die Haftpflichtversicherung vorgesehen habe. Es sei nicht hinreichend ersichtlich, dass er gerade für die PartmbB einen weiteren, von den Voraussetzungen der § 115 VVG unabhängigen Direktanspruch habe einführen wollen. Ein solcher „Systembruch“ hätte in den Gesetzesmaterialien und auch im Gesetz deutlicher zum Ausdruck gebracht werden müssen.

Zwar stelle der Anspruch gegen die Berufshaftpflichtversicherung einen Ausgleich dafür dar, dass bei der PartmbB dem Geschädigten lediglich das Gesellschaftsvermögen als Haftungsmasse zur Verfügung stehe und die Partner mit ihrem Privatvermögen als Haftungssubjekt ausfielen. Hierin liege jedoch kein Unterschied zu anderen Bereichen, in denen eine Pflichtversicherung bestehe und als Haftungssubjekt ebenfalls „nur“ ein Gesellschaftsvermögen zur Verfügung stehe. Warum dieselbe Rechtslage gerade bei der PartmbB unangemessen sein solle, erschließe sich nicht. Der Geschädigte werde hinreichend dadurch geschützt, dass ihm das Gesetz jedenfalls in kritischen Situationen (Insolvenzeröffnung, Ablehnung der Eröffnung mangels Masse, Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder unbekannter Aufenthalt des Versicherungsnehmers) einen Direktanspruch zubillige. Ein weitergehendes Schutzbedürfnis gerade der Gläubiger einer PartmbB sei zu verneinen.

Auch wenn es nach dem Vorgesagten nicht mehr darauf ankommt, weist das OLG Köln darauf hin, dass es schon zweifelhaft sei, ob bei der Beklagten zu 1 eine Haftungsbeschränkung überhaupt wirksam geworden sei [was Voraussetzung für die Anwendung des § 8 Abs. 4 Satz 1 PartGG ist]. Eine solche Beschränkung setze neben dem Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung voraus, dass die Partnerschaft diese nach außen hinreichend kundtue. Auch wenn die Rechtsform der „mbB“ nicht im Partnerschaftsregister einzutragen sei, so sei zumindest ein hierauf deutender Namenszusatz erforderlich. An einem solchen Namenszusatz bei der Eintragung fehle es bei der Beklagten zu 1 bereits. Außerdem habe die Beklagte zu 1 nur teilweise und dies auch in unterschiedlicher Weise auf eine Haftungsbeschränkung gegenüber der Klägerin hingewiesen.

Download: Haftungszurechnung bei Kapitalanlagebetrug

Vorbemerkung

Kapitalanlagebetrügereien richten häufig erhebliche Schäden bei den betroffenen Anlegern an, teilweise im Milliardenbereich. Um nur die gravierendsten Fälle der letzten Jahre zu nennen: Infinus-Gruppe in Dresden, Wirecard und P & R Container in München.

Anders als in den Insolvenzverfahren über das Vermögen dieser Gesellschaften können geschädigte Anleger nicht stets darauf hoffen, ihre Schäden in der Insolvenz der Betrugsgesellschaft (teilweise) liquidieren zu können. Vielfach wird deshalb versucht, die handelnden natürlichen Personen auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Ist die Zahl der Anspruchsteller indessen, wie fast immer, zu groß, verspricht auch dies aus wirtschaftlichen Gründen selten Erfolg.

In der Besprechungsentscheidung ging es dagegen um das Insolvenzverfahren der Anlagebetrugsgesellschaft selbst – in der Besprechungsentscheidung um das der Infinus-Gruppe aus Dresden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte darüber zu entscheiden, ob und wie weit die Gesellschaft selbst für unerlaubte Handlungen der für sie Tätigen, hier des Vorstands, einzustehen hat.

Entscheidende Norm in diesem Zusammenhang ist § 31 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), eine Vorschrift aus dem Vereinsrecht, die jedoch auch auf sonstige juristische Personen angewandt wird.

„§ 31 Haftung des Vereins für Organe
Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.“

Der BGH stellt seiner Entscheidung folgende Leitsätze voran:

„a) § 31 BGB gilt für alle juristischen Personen.
b) § 31 BGB ist keine haftungsbegründende, sondern eine haftungszuweisende Norm. Die juristische Person haftet, wenn eines ihrer Organe in "amtlicher" Eigenschaft, das heißt in dem ihm zugewiesenen Wirkungskreis, eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung begangen hat.
c) Sind Organe verschiedener juristischer Personen mit ein und derselben natürlichen Person besetzt und hat diese eine schadenstiftende unerlaubte Handlung in unterschiedlichen "amtlichen" Eigenschaften begangen, haften nach der Zuweisungsnorm des § 31 BGB für den eingetretenen Schaden alle juristischen Personen, für die sie insoweit als Organ in dem ihm zugewiesenen Wirkungskreis aufgetreten ist, als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB).
d) Zur Haftungszuweisung, wenn die schadenstiftende unerlaubte Handlung im Rahmen eines "Schneeballsystems" verwirklicht worden ist."

Der zu entscheidende Fall

Der Kläger begehrt vom beklagten Insolvenzverwalter die Feststellung einer Schadensersatzforderung zur Insolvenztabelle.

Der Beklagte ist Verwalter im am 01.04.2014 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. AG (im Folgenden: Schuldnerin). Ihr Vorstand war J. B. Dieser war zudem persönlich haftender Gesellschafter der F. KGaA (im Folgenden: F.), über deren Vermögen ebenfalls am 01.04.2014 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Beide Gesellschaften gehörten ebenso wie die I. AG (im Folgenden: I.) zu den Unternehmen der sogenannten Infinus-Gruppe.

J. B. und andere Personen – alle inzwischen rechtskräftig strafrechtlich zu zum Teil hohen Haftstrafen verurteilt – betrieben etwa seit Beginn der 2000er Jahre eine Unternehmensgruppe auf dem Gebiet der Finanzdienstleistung. Zentrale Gesellschaft war die F. Das Geschäftsmodell sah den Ankauf von langfristigen Lebensversicherungspolicen am Zweitmarkt und deren Weiterführung vor, um bei Vertragsende jeweils an die Überschussbeteiligungen enthaltende Versicherungsleistung zu gelangen. Zur Deckung des sich hieraus ergebenden Finanzbedarfs gab die F. Orderschuldverschreibungen aus, die sie durch Vermittlung anderer Unternehmen der Gruppe an ein breites Publikum vertrieb. Darüber hinaus erzielte die F. Einnahmen durch einen Gewinnabführungsvertrag mit der I., deren Geschäftsgegenstand die Vermittlung von Finanzprodukten, insbesondere von Lebens- und Rentenversicherungen, war.

Mangels anderer externer Ertragsquellen konnten bereits ab 2007 die Zinsen für die bestehenden Orderschuldverschreibungen nur durch neue Abschlüsse gezahlt werden; schon weit vor dem Jahr 2011 erkannte J. B., dass zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs die beständige Neueinwerbung von Kapital unerlässlich war und jede nicht ganz unerhebliche Unterbrechung der systembedingt notwendigen Zufuhr frischer Liquidität schnell zum Zusammenbruch des Systems führen konnte, mithin das Geschäft mit den Orderschuldverschreibungen zu einem „Schneeballsystem“ degeneriert war.

Um gleichwohl fortgesetzt Anleger zu gewinnen und diesen gegenüber Gewinne darstellen zu können, die die F. beziehungsweise die gesamte Infinus-Gruppe als außerordentlich erfolgreiche wirtschaftliche Unternehmung und eine Geldanlage darin als renditeträchtig erscheinen lassen sollten, bediente man sich im großen Umfang sogenannter Eigenverträge. Dabei handelte es sich um großvolumige Lebens- und Rentenversicherungen, die die F. als Versicherungsnehmerin durch die Vermittlung anderer Unternehmen der Gruppe, zumeist der I., abschloss und besparte. Die hierdurch seitens der I. vom jeweiligen Versicherer vereinnahmten Provisionen wirkten über den Gewinnabführungsvertrag auch bei der F. bilanziell gewinnerhöhend, obwohl diese die erheblichen Provisionen – nach außen nicht erkennbar – über die Versicherungsprämien wirtschaftlich zu tragen hatte und ihre Gewinne damit gleichsam selbst finanzierte. Die vorgeblichen Gewinne waren deshalb bloß das Ergebnis bilanzieller Effekte und standen somit nur auf dem Papier. Diese Umstände waren J. B. bereits Ende des Jahres 2007 durch die Wirtschaftsprüfer aufgezeigt worden.

Das Vertriebssystem für die Orderschuldverschreibungen war mit einem Netz von gutgläubigen Vermittlern unter dem Dach der zur Firmengruppe gehörenden I. AG Finanzdienstleistungsinstitut (im Folgenden: FDI) aufgebaut worden. In den Prospekten für die Orderschuldverschreibungen sowie den regelmäßig veröffentlichten Geschäftsberichten wurden die ständig steigenden Gewinne der F. hervorgehoben und der unzutreffende Eindruck erweckt, der Ankauf von Lebensversicherungen sei nach wie vor das zentrale und ein gewinnbringendes Geschäftsfeld der F. Die Anleger gingen aufgrund der Beratungsgespräche davon aus, dass es der F. möglich sei, durch ihre unternehmerische Tätigkeit die Anlagebeträge nebst Zinsen zurückzuzahlen.

J. B. erkannte spätestens im Laufe des Jahres 2009, dass das Geschäftsmodell der Unternehmen der Infinus-Gruppe nicht mehr tragfähig war und die Anleger über die tatsächliche Ertrags- und Finanzlage falsch informiert wurden. Ihm war ebenfalls bewusst, dass die F. kein nachhaltiges und ein prospektwidriges Geschäftsmodell betrieb und ihre Darstellung als ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen auf den bilanziellen Effekten durch die seitens der I. vereinnahmten Provisionen aus den Eigenverträgen beruhte. Diese Provisionseinnahmen der I. wiederum resultierten in nennenswertem Umfang aus der Weiterleitung von Vermittlungsprovisionen der P., die diese als Untervermittlerin von Eigenverträgen der F. erlangt hatte. Auch dies war J. B., der jeweils selbst anordnete, welche Gesellschaft bei den Eigenverträgen als Vermittler auftrat, bekannt.

Der Kläger erwarb am 21.11.2011 Orderschuldverschreibungen der F. für 100.000 €. Er erhielt darauf Auszahlungen in Höhe von insgesamt 4.988,47 €. In Höhe der Differenz von 95.011,53 € hat er mit beim Beklagten am 23.12.2019 eingegangenem Schreiben vom 18.12.2019 eine Schadensersatzforderung zur Insolvenztabelle angemeldet. Der Beklagte hat die Forderung bestritten. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Tabellenfeststellungsklage nach den § 179 ff. der Insolvenzordnung (InsO). Er meint, die Schuldnerin hafte ihm aufgrund eigener Handlungen, weil sie sich in ein betrügerisches Schneeballsystem mit Wissen und Wollen ihres rechtskräftig verurteilten Vorstands J. B. aktiv habe einbinden lassen und die eigentliche Täuschungshandlung der F. ihm gegenüber überhaupt erst ermöglicht, zumindest aber wesentlich erleichtert habe.

Das Landgericht Dresden (LG) hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Dresden (OLG) hat ihr stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen zweitinstanzlichen Antrag, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, weiter. Er scheitert damit vor dem BGH.

Die Begründung des BGH

Der Widerspruch des Beklagten gegen die Forderungsanmeldung des Klägers, so der BGH, sei unberechtigt. Die Schuldnerin hafte als Gesamtschuldner im Sinne des § 840 Abs. 1 BGB für den Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 263 Abs. 1 und Abs. 5 (banden- und gewerbsmäßiger Betrug); § 264a Abs. 1 (Kapitalanlagebetrug) des Strafgesetzbuchs (StGB) sowie aus § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung), jeweils in Verbindung mit §§ 830, 31 BGB.

Die Tatbestandsverwirklichung der genannten Vorschriften sei in mittelbarer (Mit-)Täterschaft erfolgt, weil J. B. und seine Mittäter ein betrügerisches Schneeballsystem organisiert hätten, ohne selbst gegenüber den geschädigten Anlegern aufzutreten; den Kontakt mit den Anlegern hätten gutgläubige Anlagevermittler besorgt, denen gegenüber in Seminaren die wahren wirtschaftlichen Hintergründe verschleiert worden wären. Da die Revision gegen diese Feststellungen des OLG nichts Durchgreifendes geltend gemacht habe, schulde J. B. persönlich dem durch das von ihm mittäterschaftlich betriebene Schneeballsystem geschädigten Kläger Schadensersatz.

Für den Schaden des Klägers habe aber auch die Schuldnerin gemäß § 31 BGB einzustehen.

Nach § 31 BGB, der für alle juristischen Personen gelte, sei die juristische Person (hier die Schuldnerin) für den Schaden verantwortlich, den ein Organ oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufüge. § 31 BGB sei keine haftungsbegründende Norm, sondern setze einen Haftungstatbestand voraus, er sei daher lediglich eine haftungszuweisende Norm. Unerlässliche Voraussetzung dieser Zurechnung sei es folglich, dass das Organ, also eine natürliche Person, eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung begangen habe. Die natürliche Person müsse als ihr Organ in dem ihm zugewiesenen Wirkungskreis in „amtlicher“ Eigenschaft aufgetreten sein. Die juristische Person hafte nicht, wenn die natürliche Person ausschließlich als Organ einer anderen juristischen Person tätig geworden sei, selbst wenn diese zum selben Konzern gehöre.

Seien Organe verschiedener juristischer Personen mit ein und derselben natürlichen Person besetzt, trete nach ständiger Rechtsprechung des BGH die Haftung dieser verschiedenen juristischen Personen als Gesamtschuldner ein, wenn diese natürliche Person als Täter eine aus mehreren Teilakten beziehungsweise Tatbeiträgen bestehende unerlaubte Handlung in unterschiedlichen „amtlichen“ Eigenschaften begangen habe, also bei einzelnen Teilakten oder Tatbeiträgen als Organ der juristischen Person A, bei weiteren als Organ der juristischen Person B und bei wiederum anderen als Organ der juristischen Person C usw. gehandelt habe.

Daraus folge vorliegend, dass die F. hafte, soweit die Verantwortlichkeit von J. B. für die Erstellung des unrichtigen Prospekts oder die Organisation des Vertriebs der Orderschuldverschreibungen der F. in Rede stehe.

Da J. B. die Schuldnerin dazu eingesetzt habe, aktiv als Vermittlerin von Eigengeschäften der F. ein Provisionskarussell in Gang zu setzen, um ein positives Bild der wirtschaftlichen Lage vorspiegeln zu können, hafte auch die Schuldnerin für den mit dem Erwerb der Orderschuldverschreibungen eingetretenen Schaden des Klägers. Beide Gesellschaften hafteten als Gesamtschuldner. Auf die Gewichtung der Handlungen für die jeweilige Gesellschaft komme es nicht an.

Im Übrigen könnten selbst berufstypische, für sich genommen „neutrale“ Handlungen bereits als Beihilfe zivilrechtlich haftungsbegründend sein, wenn die handelnde natürliche Person – wie hier J. B. – wisse, dass sie mit ihrem Beitrag eine strafbare Handlung fördere. Es sei ferner für eine Haftung der juristischen Person über § 31 BGB nicht stets erforderlich, dass deren Organ persönlich gegenüber dem Geschädigten in Erscheinung trete. Unschädlich sei nämlich, dass es an einer unmittelbaren Beziehung des Täters (Organs) zum Geschädigten fehle, wenn dessen Schädigung in mittelbarer Täterschaft erfolge, wie dies gerade bei Schneeballsystemen häufig der Fall sei, bei denen - wie hier - die geschädigten Anleger durch gutgläubige Vermittler geworben würden. Die Tatherrschaft des Handelnden brauche sich dem Geschädigten dabei nicht zu offenbaren.

Der getäuschte Anleger erleide mit der Zeichnung der Anlage einen endgültigen Vermögensschaden in Höhe der vollen Anlagesumme, weil die getätigte Anlage wirtschaftlich zumindest teilweise wertlos sei; spätere Entwicklungen, wie zum Beispiel Rückzahlungsansprüche gegen andere Gesellschaften, berührten nach der Rechtsprechung den eingetretenen Schaden nicht mehr.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch sei schließlich nicht verjährt. Die am 23.12.2019 beim Beklagten eingegangene Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren habe gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB die Verjährung rechtzeitig gehemmt. Die Forderung sei zwar schon im Jahre 2011 mit dem Erwerb der Orderschuldverschreibungen entstanden. Die Voraussetzungen des Beginns des Laufs der Verjährungsfrist [nach § 195 BGB 3 Jahre ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist] nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hätten beim Kläger jedoch nicht vor Beginn des Jahres 2016 vorgelegen.

Denn der Lauf der Verjährungsfrist setze nach § 199 BGB ferner voraus, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt habe oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. - Eine solche Kenntnis liege im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich sei. Weder sei notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kenne, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung hätten, noch müsse er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch komme es, von Ausnahmefällen abgesehen, nicht auf die zutreffende rechtliche Würdigung an. Es genüge die Kenntnis der den Einzelanspruch begründenden tatsächlichen Umstände. Die dem Geschädigten bekannten Tatsachen müssten ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners als naheliegend erscheinen zu lassen.

Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 BGB liege vor, wenn dem Gläubiger die erforderliche Kenntnis deshalb fehle, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet habe, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt hätten und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt habe. Den Geschädigten treffe dabei im Allgemeinen weder eine Informationspflicht, noch bestehe für ihn eine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist eigene Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten. Für den Gläubiger müssten konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein.

Diese Voraussetzungen hätten in der Person des Klägers, wie das OLG beanstandungsfrei festgestellt habe, frühestens 2016 vorgelegen, der Lauf der Verjährungsfrist habe folglich erst am 31.12.2016 begonnen und sei durch die Forderungsanmeldung im Dezember 2019 rechtzeitig gehemmt worden.

Download: Verzug mit der Stellung der vereinbarten Bankbürgschaft beim Mietvertrag

Vorbemerkung

Mietsicherheiten sind unter anderem ein wichtiges Instrument gegen das Mietnomadentum. Der Gesetzgeber hat daher anlässlich der Mietrechtsreform 2013 für den Fall des Verzugs mit der Leistung einer vereinbarten Mietsicherheit durch den Mieter ein besonderes Kündigungsrecht des Vermieters aus wichtigem Grund geschaffen.

Schon nach bisherigem Recht bestand bei Verzug des Mieters nach § 543 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ein Sonderkündigungsrecht des Vermieters, das sich jedoch auf die Zahlung der Miete bezieht. Nach Nr. 3 Buchst. b der Vorschrift liegt ein wichtiger Grund insbesondere vor, wenn der Mieter „in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.“

Schon dem Wortlaut nach wurden davon Mietsicherheiten nicht erfasst. Mit § 569 Abs. 2a BGB wurde dies geändert. Danach gilt: „Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Absatz 1 liegt ferner vor, wenn der Mieter mit einer Sicherheitsleistung nach § 551 in Höhe eines Betrages im Verzug ist, der der zweifachen Monatsmiete entspricht.“

Das hierdurch neu geschaffene Sonderkündigungsrecht, das im Übrigen nur für Wohnraum, nicht für Geschäftsräume greift, setzt voraus, dass es sich um eine Mietsicherheit der in § 551 BGB geregelten Art handelt:

„§ 551 Begrenzung und Anlage von Mietsicherheiten
(1) Hat der Mieter dem Vermieter für die Erfüllung seiner Pflichten Sicherheit zu leisten, so darf diese vorbehaltlich des Absatzes 3 Satz 4 höchstens das Dreifache der auf einen Monat entfallenden Miete ohne die als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesenen Betriebskosten betragen.
(2) Ist als Sicherheit eine Geldsumme bereitzustellen, so ist der Mieter zu drei gleichen monatlichen Teilzahlungen berechtigt. Die erste Teilzahlung ist zu Beginn des Mietverhältnisses fällig. Die weiteren Teilzahlungen werden zusammen mit den unmittelbar folgenden Mietzahlungen fällig.
(3) Der Vermieter hat eine ihm als Sicherheit überlassene Geldsumme bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen. Die Vertragsparteien können eine andere Anlageform vereinbaren. In beiden Fällen muss die Anlage vom Vermögen des Vermieters getrennt erfolgen und stehen die Erträge dem Mieter zu. Sie erhöhen die Sicherheit. Bei Wohnraum in einem Studenten- oder Jugendwohnheim besteht für den Vermieter keine Pflicht, die Sicherheitsleistung zu verzinsen.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.“

Es fällt auf, dass Abs. 1 der Vorschrift sich ohne Einschränkung auf jegliche Form der Sicherheitsleistung bezieht, Abs. 2 jedoch ausschließlich Geldzahlungen im Blick hat. In der Rechtsprechung und der juristischen Literatur ist streitig, ob durch den Verweis des § 569 Abs. 2a BGB auf § 551 BGB auf alle Arten der Sicherheitsleistung Bezug genommen werden soll, insbesondere also auch auf Bankbürgschaften, oder nur auf Geldsicherheiten. Diesen Streit entscheidet die Besprechungsentscheidung. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt ihr folgenden Leitsatz voran:

„Ist ein Mieter mit der Leistung einer als Mietsicherheit (§ BGB § 551 BGB) vereinbarten Bankbürgschaft im Verzug, kann der Vermieter das Mietverhältnis nicht nach § 569 Abs. 2a BGB fristlos kündigen, weil eine Bankbürgschaft nicht in den Anwendungsbereich dieses Kündigungstatbestands fällt.“

Der zu entscheidende Fall

Der Beklagte war seit Januar 2020 Mieter einer Wohnung der Klägerin. Die monatliche Nettokaltmiete betrug 1.950 €. Im Mietvertrag war die Stellung einer Mietsicherheit durch den Beklagten wie folgt geregelt:

„§ 4 Kaution
Der Mieter leistet bei Abschluss des Mietvertrages eine Kaution in Höhe von 4.400,00 €. Diese ist spätestens zur Übergabe der Wohnung in Form einer unbefristeten, selbstschuldnerischen Bankbürgschaft zu erbringen.“

Die Klägerin überließ dem Beklagten die Wohnung (ohne hierzu wegen der fehlenden Bankbürgschaft verpflichtet zu sein]; dieser erbrachte die Bankbürgschaft jedoch auch in der Folge nicht. Unter dem 11.05.2020 erklärte die Klägerin die außerordentliche fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen unterbliebener Leistung der Mietsicherheit.

Gestützt hierauf hat die Klägerin Klage auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung sowie auf Zahlung rückständiger Miete und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten erhoben. Nach Begleichung sämtlicher Mietrückstände durch die Bundesagentur für Arbeit hat die Klägerin den Rechtsstreit insoweit (einseitig) für erledigt erklärt.

Das Amtsgericht Frankfurt a. M. (AG) hat den Beklagten mit Teilurteil zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt und die von ihm erhobene Widerklage auf Feststellung, dass der zwischen den Parteien bestehende Mietvertrag auf unbestimmte Zeit fortbesteht, abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Landgericht Frankfurt a. M. (LG) zurückgewiesen.

Mit seiner vom LG (teilweise) zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren sowie seinen Widerklageantrag weiter. Letzterer war von der Revisionszulassung allerdings nicht umfasst, sodass der Antrag vor dem BGH bereits unzulässig war. Der BGH befasst sich damit in der Sache folglich nicht.

Hinsichtlich des Klageabweisungsantrags hat die Revision jedoch Erfolg und führt zur Aufhebung der Sache und zur Zurückverweisung an das LG.

Die Begründung des BGH

Wie aus dem Leitsatz schon ersichtlich, schließt sich der BGH der Ansicht an, die § 569 Abs. 2a BGB nicht anwendet, wenn die zwischen den Parteien vereinbarte Mietsicherheit in Form einer Bankbürgschaft zu leisten ist, da eine solche nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift falle. Sei der Mieter mit der Leistung einer als Mietsicherheit vereinbarten Bankbürgschaft im Verzug, könne der Vermieter das Mietverhältnis nicht nach § 569 Abs. 2a BGB fristlos kündigen. Diese Auffassung begründet er sehr ausführlich.

Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergebe sich nicht, dass hiervon sämtliche Formen von Mietsicherheiten erfasst würden. Vielmehr sei der Ausschluss einer Bankbürgschaft aus dem Anwendungsbereich der Bestimmung des § 569 Abs. 2a BGB vom möglichen Wortsinn gedeckt.

Die grammatische Gesetzesauslegung habe das nach dem Wortlaut sprachlich Mögliche, also den möglichen Wortsinn zu ermitteln, allerdings nicht isoliert, sondern im Zusammenhang des Normtextes.

Hiernach könne zur Bestimmung der von § 569 Abs. 2a BGB erfassten Sicherheitsleistungen nicht allein der Verweis auf § 551 BGB herangezogen werden, sondern es sei auch zu berücksichtigen, dass der Mieter mit einer Sicherheitsleistung in Höhe „eines Betrages“ im Verzug sein müsse, der der zweifachen Monatsmiete entspreche. Daraus ergebe sich, dass nur solche Mietsicherheiten unter § 569 Abs. 2a BGB fielen, die in Form eines (teilbaren) Geldbetrags (Geldsumme beziehungsweise Barkaution) zu leisten seien.

Dafür sprächen die systematische Stellung und die Konzeption der Vorschrift, denn zum einen weise der Kündigungstatbestand einen Gleichlauf mit den Voraussetzungen der Kündigung wegen Mietzahlungsverzugs gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB auf. Zum anderen folge dies aus dem systematischen Zusammenhang des § 569 Abs. 2a BGB zu der die Stellung einer Mietsicherheit regelnden Bestimmung des § 551 Abs. 1 BGB.

Systematisch folge aus der Stellung dieser Bestimmung unmittelbar vor dem die Zahlungsverzugskündigung „ergänzend“ regelnden Absatz 3 des § 569 BGB sowie aus deren sonstigen – mit denen der Mietzahlungsverzugskündigung übereinstimmenden – Voraussetzungen, dass diese nur solche Fälle erfassen solle, in denen die Mietsicherheit in Form einer Geldsumme (Barkaution) zu erbringen sei.

Denn ebenso wie die fristlose Kündigung wegen Verzugs des Mieters mit der Mietzahlung erfordere auch § 569 Abs. 2a BGB einen Verzug in Höhe von zwei Monatsmieten und es bedürfe kraft ausdrücklicher Regelung weder des Setzens einer Abhilfefrist noch einer Abmahnung. Das Nachholrecht des Mieters sowie die Schonfristzahlung seien ebenfalls parallel geregelt.

Ferner setze die fristlose Kündigung einen Verzug des Mieters mit einem Betrag der Sicherheitsleistung voraus, „der der zweifachen Monatsmiete“ entspreche. Da die Höhe der Sicherheitsleistung gemäß § 551 BGB jedoch bis zum dreifachen der monatlichen Nettokaltmiete betragen dürfe, die Kündigung aber bereits zulässig sei, wenn der Mieter lediglich mit einem Betrag in Höhe von zwei Monatsmieten im Verzug sei, könnten nur solche Mietsicherheiten erfasst sein, die durch Teilleistungen erbracht werden könnten. Eine Mietkautionsbürgschaft in Raten sei aber nicht vorgesehen.

Auch die Entstehungsgeschichte des § 569 Abs. 2a BGB spreche gegen ein fristloses Kündigungsrecht bei Verzug mit der Bankbürgschaft.

Die Regelungsabsicht des Gesetzgebers habe sich lediglich auf solche Fallgestaltungen bezogen, in denen es zu einer „Nichtzahlung“ der Kaution durch den Mieter komme. Außerdem bedürfe ein Vermieter zu Beginn des Mietverhältnisses bei der Bankbürgschaft nicht in gleichem Maße Schutz wie bei einer vereinbarten Barkaution beziehungsweise einer Geldsumme.

Der Gesetzgeber habe ausgehend von der bis 2013 unklaren Rechtslage seine Regelungsabsicht einschränkend dahingehend formuliert, dass „nunmehr“ die Voraussetzungen einer (fristlosen) Kündigung wegen „Nichtzahlung der Kaution“ für den Bereich der Wohnraummiete geregelt werden sollten. Daher solle der neue § 569 Abs. 2a BGB lediglich solche Vertragsverletzungen des Mieters erfassen, die in der „Nichtzahlung“ einer Mietsicherheit lägen.

Die Kündigungsmöglichkeit solle nur beim erstmaligen Verzug mit der Leistung der Mietsicherheit gelten, nicht aber wenn der Mieter mit der vom Vermieter geforderten Wiederauffüllung der Sicherheit nach deren Inanspruchnahme durch den Vermieter in Verzug gerate. Zudem bezögen sich die Materialien auf die „Zahlung“ der Mietsicherheit, was ebenfalls nur bei Geldsummen möglich sei.

Die geringere Schutzbedürftigkeit des Vermieters bei der Bankbürgschaft ergebe sich schon daraus, dass die Barsicherheit in Raten erbracht werden dürfe und die Wohnung bereits bei fristgemäßer Leistung der ersten Rate übergeben werden müsse, nur insoweit bestehe ein Zurückbehaltungsrecht. Demgegenüber stehe dem Vermieter bei Nichtleistung der Kautionsbürgschaft ein umfassendes Zurückbehaltungsrecht zu, da er die Wohnung erst überlassen müsse, wenn die Bürgschaft in voller Höhe erbracht sei. Das Zurückbehaltungsrecht schütze ihn hier vollständig.

Sähe man das anders, könnte ein Vermieter, der sein Zurückbehaltungsrecht nicht ausübe und die Wohnung trotz Nichtleistung der Bürgschaft bereits an den Mieter überlasse, das Mietverhältnis – regelmäßig – am Tag nach der Überlassung fristlos kündigen. In einem solchen Fall würde der Vermieter sich jedoch dem Vorwurf eines widersprüchlichen und damit treuwidrigen Verhaltens nach § 242 BGB aussetzen. Dieses Ergebnis habe der Gesetzgeber nicht gewollt.

Schließlich sei der Vermieter durch den Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit nach § 569 Abs. 2a BGB im Falle einer Bankbürgschaft auch hinsichtlich der Beendigung des Mietverhältnisses nicht schutzlos gestellt.

Ihm stünden nämlich sowohl die fristlose Kündigungsmöglichkeit nach § 543 Abs. 1 BGB als auch die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB offen. Zwar stellten diese Kündigungstatbestände im Vergleich zu § 569 Abs. 2a BGB weitere Voraussetzungen auf, ermöglichten – bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen – dem Vermieter aber das Mietverhältnis aufgrund des vertragswidrigen Verhaltens des Mieters zu beenden.

Der Rechtsstreit sei jedoch noch nicht zur Endentscheidung reif, da das LG – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen getroffen habe, ob das Mietverhältnis durch eine der weiteren, seitens der Klägerin ausgesprochenen Kündigungen (wegen Zahlungsverzugs des Beklagten beziehungsweise wegen Eigenbedarfs) beendet worden sei.

Sollte das LG in Erwägung ziehen, aufgrund der Nichtleistung der Bankbürgschaft einen wichtigen Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 BGB oder eine schuldhafte nicht unerhebliche Vertragspflichtverletzung des Beklagten im Sinne von § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB anzunehmen, müsse es auf den Einwand des Beklagten eingehen, es habe sich bei der die Mietsicherheit regelnden Bestimmung des § 4 des Mietvertrags um – unwirksame – AGB gehandelt. Ein Anschein für die Absicht der mehrfachen Verwendung der Klausel – und damit für AGB - ergebe sich bereits aus dem Inhalt und der Gestaltung des Mietvertrags.

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